Seite:De Thalia Band2 Heft6 006.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 1

Agamemnon.
Drei Jungfraun hat die Tochter Thestias
dem Tyndarus gebohren. Phöbe hieß

50
die Aelteste, die zweite Clytemnestra

mein Weib, die jüngste Helena. Es warben
um Helenas Besitz mit reichen Schätzen
die Fürsten Griechenlands und blutger Zwist
war von dem Heere der verschmähten Freier

55
dem Glücklichen gedroht. Lang zauderte,

dieß fürchtend, bang und ungewiß der König,
den Ehgemahl der Tochter zu entscheiden,
dieß Mittel sinnt er endlich aus. Es müssen
die Freier sich mit hohen Schwüren binden,

60
Trankopfer gießen auf den flammenden

Altar, und freundlich sich die Rechte bieten.
Ein fürchterlich Gelübd’ entreißt er ihnen,
das Recht des Glücklichen – sei auch wer wolle
der Glückliche! – einträchtig zu beschützen,

65
Krieg und Verheerung in die beste Stadt

des Griechen oder des Barbaren, der
von Haus und Bette die Gemahlinn ihm
gewaltsam rauben würde, zu verbreiten.
Als nun gegeben war der Schwur, durch ihn

70
der Freier Sinn mit schlauer Kunst gebunden,

verstattet Tyndarus der Jungfrau, selbst
den Gatten sich zu wählen, dem der Liebe
gelinder Hauch das Herz entgegen neigte.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_006.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)