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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

Greis werden, wie ich zum Mann geworden bin! Weil ich aus der traurigen Einförmigkeit meines bisherigen Lebens einmal herausgehe und herumschaue, ob nicht irgend anderswo eine Quelle des Genusses für mich springt – weil ich –“

Wenn es ein Versuch war, gnädigster Herr, dann hab’ ich nichts mehr zu sagen – dann sind die Erfahrungen, die er Ihnen verschaft haben wird, noch mit dreimal soviel nicht zu theuer erkauft. Es that mir wehe, ich gestehe es, daß die Meinung der Welt über eine Frage, die nur für Ihr eigenes Herz gehört, die Frage, wie Sie glücklich seyn sollen, zu entscheiden haben sollte.

„Wohl Ihnen, daß Sie verachten können die Meinung der Welt! Ich bin ihr Geschöpf, ich muß ihr Sklave seyn. Was sind wir anders als Meinung? Alles an uns Fürsten ist Meinung. Die Meinung ist unsre Amme und Erzieherinn in der Kindheit, unsre Gesezgeberinn und Geliebte in männlichen Jahren, unsre Krücke im Alter. Nehmen Sie uns, was wir von der Meinung haben, und der Schlechteste aus den untersten Klassen ist besser daran als wir, denn sein Schicksal hat ihm doch eine Philosophie seines Schicksals geschaffen. Ein Fürst, der die Meinung verlacht, hebt sich selbst auf, wie der Priester, der das Daseyn eines Gottes läugnet?“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_119.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)