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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

„Das fürcht’ ich nicht. Wäre das, so wollte ich sogleich gegen Sie verloren geben. Das Gefühl des moralischen Unterschiedes ist mir eine weit wichtigere Instanz als meine Vernunft – und nur alsdann fieng ich an, an die Leztere zu glauben, da ich sie mit jenem unvertilgbarem Gefühle übereinstimmend fand. Ihre Moralität bedarf einer Stütze, die meinige ruht auf ihrer eigenen Achse.“

Lehrt uns nicht die Erfahrung, daß oft die wichtigsten Rollen durch die mittelmäßigsten Spieler gespielt werden, daß die Natur die heilsamsten Revolutionen durch die schädlichsten Subjekte vollbringt. Ein Mahomed, ein Attila, ein Aurangzeb sind so wirksame Diener des Universums, als Gewitter, Erdbeben, Vulkane kostbare Werkzeuge der physischen Natur. Ein Despot auf dem Thron, der jede Stunde seiner Regierung mit Blut und Elend bezeichnet, wäre also ein weit würdigeres Glied ihrer Schöpfung, als der Feldbauer in seinen Ländern, weil er ein wirksameres ist – ja was das Traurigste ist, er wäre eben durch das vortrefflicher, was ihn zum Gegenstande unsers Abscheues macht, durch die größre Summe seiner Thaten, die alle fluchwürdig sind – er hätte in eben dem Grade einen größern Anspruch auf den Namen eines vortrefflichen Menschen, als er unter die Menschheit herabsinkt. Laster und Tugend –

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_135.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)