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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

ihn selbst nenne ich lasterhaft, weil ihm die ungleich schönere Eigenschaft der Gerechtigkeit mangelt. So kann mich eine Unternehmung in Erstaunen setzen, die der Ausbruch einer jahrlang verhaltenen thätigen Rachsucht ist, aber ich nenne sie verabscheuungswürdig, weil sie mir einen Menschen zeigt, der ganze Jahre leben konnte, ohne seinen Mitmenschen zu lieben. Ich schreite mit Unwillen über ein Schlachtfeld hinweg, nicht weil so viele Leben hier verwesen – Pest und Erdbeben hätten noch mehr thun können, ohne mich gegen sich aufzubringen – auch nicht weil ich die Kraft, die Kunst, den Heldenmuth nicht vortrefflich fände, die diese Krieger zu Boden streckten – sondern, weil mir dieser Anblick so viele tausend Menschen in’s Gedächtniß bringt, denen die Menschlichkeit fehlte.“

Vortrefflich.

„Dasselbe gilt von den Graden der Moralität. Eine sehr künstliche, sehr fein ersonnene, mit Beharrlichkeit verfolgte, mit Muth ausgeführte Bosheit hat etwas Glänzendes an sich, das schwache Seelen oft zur Nachahmung reizt, weil man so viele große und schöne Kräfte in ihrer ganzen Fülle dabei wirksam findet. Und doch nennen wir diese Handlung schlimmer als eine ähnliche bei einem geringeren Maß von Geist, und strafen sie strenger, weil

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_148.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)