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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 2

nicht Thetis, der Erinnen eine hätte
das Leben mir gegeben, wenn ich mich
des Königs Mordbegier zum Werkzeug borgte.

1185
Nein bei des Meerbewohners Haupt, bei’m Vater

der Göttlichen, die mich zur Welt gebohren!
Er soll sie nicht berühren – nicht ihr Kleid
mit seines Fingers Spitze nur berühren.
Eh’ dieß geschiehet, decke ewige

1190
Vergessenheit mein Phthia, mein Geburtsland,

wenn der Atriden Stammplatz, Sipylus,
im Ohr der Nachwelt unvergänglich lebet.
Es mag der Seher Kalchas das Geräthe
zum Opfer nur zurücke tragen – Seher?

1195
Was heißt ein Seher? – Der auf gutes Glück

für eine Wahrheit zehen Lügen sagt.
Geräth es? Gut. Wo nicht, ihm geht es hin.
Es gibt der Jungfraun Tausende, die mich
zum Gatten möchten – Davon ist auch jezt

1200
die Rede nicht! Beschimpft hat mich der König.

In meinen Willen hätt’ er’s stellen sollen;
ob mir’s gefiele, um sein Kind zu frein?
Gern’ und mit Freunden würde Clytemnestra
in dieses Bündniß eingewilligt haben.

1205
Und hätte Griechenland aus meinen Händen

alsdann zum Opfer sie verlangt, ich würde
sie meinen Kriegsgenossen, würde sie
dem Wohl der Griechen nicht verweigert haben.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_015.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)