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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 2

1720
den Feind durch tapfre Kriegesthat zu glänzen,

zu sterben für das Vaterland. Dieß alles
macht’ ich zu nichte, ich, ein einzig’s Leben?
Wo, Mutter, wäre das gerecht? Was kannst
du hierauf sagen? – Und alsdann –
(sich gegen Achilles wendend.)
 Soll der’s

1725
mit allen Griechen, eines Weibes wegen

aufnehmen und zu Grunde gehn? Nein doch!
Das darf nicht seyn![1] Der einz’ge Mann verdient
das Leben mehr, als hunderttausend Weiber.
Und will Diana diesen Leib, werd’ ich,

1730
die Sterbliche, der Göttinn widerstreben?

Umsonst! Ich gebe Griechenland mein Blut.
Man schlachte mich, man schleife Trojas Veste!
Das soll mein Denkmal seyn auf ew’ge Tage,
das sei mir Hochzeit, Kind, Unsterblichkeit!

1735
So will’s die Ordnung und so sei’s: Es herrsche

der Grieche und es diene der Barbare!
denn der ist Knecht, und jener frei gebohren!

Chor.
Dein großes Herz zeigst du – doch grausam ist
dein Schicksal, und ein hartes Urtheil sprach Diana!

Achilles.

1740
Wie glücklich machte mich der Gott, der dich

mir geben wollte, Tochter Agamemnons!


  1. [69] Dieß ist eine von den Stellen, die dem Euripides den Nahmen des Weiberfeindes zugezogen hat. Wenn man sie aber nur auf den Achilles deutet, so verliert sie das Anstößige; und diese Erklärungsart schließt auch der Text nicht aus.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_045.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)