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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 2

Mutter und die Begebenheit in Aulis dem Zuschauer wieder in’s Gedächtnis zu bringen, (wie es z. B. im Agamemnon des Aeschylus geschieht) so schön dieses ist, und aus eben dem Grunde, warum dieses schön ist, ist es fehlerhaft, in dasjenige Stück, das uns die zärtliche, leidende Mutter zeigt, die Ehebrecherinn und Mörderinn aus dem andern herüber zu ziehen; jenes nehmlich diente dazu; den Abscheu gegen sie zu vermindern, dieses kann keine andre Wirkung haben, als unser Mitleiden zu entkräften. Ich zweifle auch sehr, ob Euripides bei der oben angeführten Stelle diesen unlautern Zweck gehabt hat, den ihm viele geneigt seyn dürften, als eine Schönheit unterzuschieben.

Die Gesinnungen in diesem Stücke sind groß und edel, die Handlung wichtig und erhaben, die Mittel dazu glücklich gewählt und geordnet. Kann etwas wichtiger und erhabener seyn, als die – zulezt doch freiwillige – Aufopferung einer jungen und blühenden Fürstentochter für das Glück so vieler versammelten Nationen? Konnte die Größe dieses Opfers in ein volleres und schöneres Licht gestellt werden, als durch das prächtige Gemählde, das der Dichter durch den Chor (in der Zwischenhandlung des ersten Aktes) von der glänzenden Ausrüstung des Griechischen Heeres gleichsam im Hintergrunde entwerfen läßt? Wie groß endlich und

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_059.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)