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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

„In einer andern Ecke der Kapelle regte es sich nun auch. Eine ältliche Dame war es, die dicht hinter mir von einem Kirchstuhle aufstand. Ich hatte sie bis jezt nicht wahrgenommen. Sie war nur wenige Schritte von mir, sie hatte alle meine Bewegungen gesehen. Dieß bestürzte mich – ich schlug die Augen zu Boden, und man rauschte an mir vorüber.“

„Ich sehe sie den langen Kirchgang hinunter gehen. Die schöne Gestalt ist aufgerichtet – Welche liebliche Majestät! Welcher Adel im Gange! Das vorige Wesen ist es nicht mehr, neue Grazien, eine ganz neue Erscheinung. Langsam gehen sie hinab; ich folge von weitem und schüchtern, ungewiß, ob ich es wagen soll, sie einzuhohlen? ob ich es nicht soll? – Wird sie mir keinen Blick mehr schenken? Schenkte sie mir einen Blick, da sie an mir vorübergieng, und ich die Augen nicht zu ihr aufschlagen konnte? – O wie beunruhigte mich dieser Zweifel!“

„Sie stehen stille, und – ich kann keinen Fuß von der Stelle setzen. Die ältliche Dame, ihre Mutter, oder was sie ihr sonst war, bemerkt die Unordnung in den schönen Haaren, und ist geschäftig, sie zu verbessern, indem sie ihr den Parasol zu halten gibt. O wie viel Unordnung wünscht’ ich diesen Haaren, wie viel Ungeschicklichkeit diesen Händen!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_082.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)