Seite:De Thalia Band2 Heft7 119.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Raphael an Julius

würdigt, verherrlicht den Meister eben so sehr, als die Harmonie des unermeßlichen Ganzen. Leben und Freiheit im größten möglichen Umfange ist das Gepräge der göttlichen Schöpfung. Sie ist nie erhabener, als da, wo ihr Ideal am meisten verfehlt zu seyn scheint. Aber eben diese höhere Vollkommenheit kann in unsrer jetzigen Beschränkung von uns nicht gefaßt werden. Wir übersehen einen zu kleinen Theil des Weltalls, und die Auflösung der größern Menge von Mißtönen ist unserm Ohre unerreichbar. Jede Stufe, die wir auf der Leiter der Wesen emporsteigen, wird uns für diesen Kunstgenuß empfänglicher machen, aber auch alsdann hat er gewiß seinen Werth nur als Mittel, nur insofern er uns zu ähnlicher Thätigkeit begeistert. Träges Anstaunen fremder Größe kann nie ein höheres Verdienst seyn. Dem edleren Menschen fehlt es weder an Stoffe zur Wirksamkeit noch an Kräften, um selbst in seiner Sphäre Schöpfer zu seyn. Und dieser Beruf ist auch der Deinige, Julius. Hast Du ihn einmal erkannt, so wird es Dir nie wieder einfallen, über die Schranken zu klagen, die Deine Wißbegierde nicht überschreiten kann.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_119.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)