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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält

Laß, mit der Mutter Silberhaar vermengt,
die braunen Locken diesen Hals beschatten!
O Freude! Freude! Nimmer glaubt’ ich, nimmer
hoft’ ich, in diese Arme dich zu schließen.
Was soll ich alles dir doch sagen? Wie
das mannichfaltige Entzücken mit
Gebärden, Worten, Händen von mir geben,
jezt, da jezt dort die irren Blicke weidend,
die Lust vergang’ner Jahre wieder kosten?
O lieber Sohn, wie öde ließest du
das väterliche Haus zurück, als dich
des Bruders Trotz in’s Elend ausgestoßen.
Wie haben deine Freunde sich nach dir
gesehnt! Wie hat ganz Thebe sich nach dir
gesehnt! Mein Sohn, von diesem Tag’ an schnitt'
ich Jammernde die Locken mir vom Haupte,
seit diesem Tage schmückt kein weißes Kleid
die Glieder mehr, nur dieses nächtliche
Gewand, das du hier siehst, hat mich bekleidet.
Mit thränenvoller Sehnsucht schmachtete
indeß, des Augenlichts beraubt, der Greis
hier in der Burg nach seinen Söhnen, die
von seinem Hause wilde Zwietracht riß,
schon zückt’ er gegen sich das Schwert, den Tod
mit eignen Händen sich bereitend, knüpfte
sich zu erwürgen schon an hohem Pfosten
die Seile, gegen dich und deinen Bruder

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft8_018.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)