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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Er legt also seinen Gott diejenigen Eigenschaften bey, welche die Fassungskraft der Hebräer und ihr jetziges Bedürfniß eben jetzt von ihm fodern. Er paßt seinen Jao dem Volke an, dem er ihn verkündigen will, er paßt ihn den Umständen an, unter welchen er ihn verkündiget, und so entsteht sein Jehovah.

In den Gemüthern seines Volks findet er zwar Glauben an göttliche Dinge, aber dieser Glaube ist in den rohesten Aberglauben ausgeartet. Diesen Aberglauben muß er ausrotten, aber den Glauben muß er erhalten. Er muß ihn bloß von seinem jetzigen unwürdigen Gegenstand ablösen, und seiner neuen Gottheit zuwenden. Der Aberglaube selbst giebt ihm die Mittel dazu in die Hände. Nach dem allgemeinen Wahn jener Zeiten stand jedes Volk unter dem Schutz einer besondern Nationalgottheit, und es schmeichelte dem Nationalstolz, diese Gottheit über die Götter aller andern Völker zu setzen. Diesen letztern wurde aber darum keineswegs die Gottheit abgesprochen; sie wurde gleichfalls anerkannt, nur über den Nationalgott durften sie sich nicht erheben. An diesen Irrthum knüpfte Moses seine Wahrheit an. Er machte den Demiurgos in den Mysterien zum Nationalgott der Hebräer, aber er ging noch einen Schritt weiter.

Er begnügte sich nicht bloß, diesen Nationalgott zum mächtigsten aller Götter zu machen, sondern er machte ihn zum Einzigen, und stürzte alle Götter um ihn her in ihr Nichts zurück. Er schenkte ihn zwar

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft10_029.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)