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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

mußte sich der Nationalgeist jedes einzelnen Bürgers entzünden. Daher ist es kein Wunder, daß die spartanische Vaterlandstugend einen Grad von Stärke erreichte, der uns unglaublich scheinen muß. Daher kam es, daß bei dem Bürger dieser Republik gar kein Zweifel statt finden konnte, wenn es darauf ankam, zwischen Selbsterhaltung und Rettung des Vaterlands eine Wahl zu treffen.

Daher ist es begreiflich, wie sich der spartanische König Leonidas mit seinen 300 Helden die Grabschrift verdienen konnte, die schönste ihrer Art und das erhabenste Denkmal politischer Tugend. „Erzähle Wandrer, wenn du nach Sparta kommst, daß wir seinen Gesetzen gehorsam, hier gefallen sind.“

Man muß also eingestehen, daß nichts zweckmäßigers, nichts durchdachter seyn kann, als diese Staatsverfaßung, daß sie in ihrer Art, ein vollendetes Kunstwerk vorstellt, und in ihrer ganzen Strenge befolgt, nothwendig auf sich selbst hätte ruhen müssen. Wäre aber meine Schilderung hier zu Ende, so würde ich mich eines sehr großen Irrthums schuldig gemacht haben. Diese bewundrungswürdige Verfassung ist im höchsten Grade verwerflich, und nichts traurigers könnte der Menschheit begegnen, als wenn alle Staaten nach diesem Muster wären gegründet worden. Es wird uns nicht schwer fallen, uns von dieser Behauptung zu überzeugen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_045.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)