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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Gesetz gehabt hätte, und die traurigste Anarchie riß ein.

Damals war der Zustand des atheniensischen Volks äußerst zu beklagen. Eine Klasse des Volks besaß alles, die andre hingegen gar nichts; die Reichen unterdrückten und plünderten aufs unbarmherzigste die Armen. Es entstand eine unermeßliche Scheidewand zwischen beyden. Die Noth zwang die ärmern Bürger zu den Reichen ihre Zuflucht zu nehmen, zu eben den Blutigeln, die sie ausgesogen hatten; aber sie fanden nur eine grausame Hülfe bey diesen. Für die Summen die sie aufnahmen, mußten sie ungeheure Zinsen bezahlen, und wenn sie nicht Termin hielten, ihre Ländereyen selbst an die Gläubiger abtreten. Nachdem sie nichts mehr zu geben hatten, und doch leben mußten, waren sie dahingebracht, ihre eigene Kinder als Sklaven zu verkaufen, und endlich, als auch diese Zuflucht erschöpft war, borgten sie auf ihren eigenen Leib, und mußten sich gefallen lassen, von ihren Kreditoren als Sklaven verkauft zu werden. Gegen diesen abscheulichen Menschenhandel war noch kein Gesetz in Attika gegeben, und nichts hielt die grausame Habsucht der reichen Bürger in Schranken. So schrecklich war der Zustand Athens. Wenn der Staat nicht zu Grunde gehen sollte, so mußte man dieses zerstörte Gleichgewicht der Güter auf eine gewaltsame Art wieder herstellen.

Zu diesem Ende waren unter dem Volk drey Faktionen entstanden. Die Eine, welcher die armen Bürger

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_058.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)