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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

Sey vollkommen. Zahllose Harmonien schlummern in dir, auf dein Geheiß zu erwachen – Rufe sie heraus durch deine Vortreflichkeit. Fehlte je der schöne Lichtstrahl in deinem Auge, wenn die Freude dein Herz durchglühte, oder die Anmuth auf deinen Wangen, wenn die Milde durch deinen Busen floß? Kannst du es dulden, daß das Gemeine, das Vergängliche in dir das Edle, das Unsterbliche beschäme?

Dich zu beglücken ist der Kranz, um den alle Wesen buhlen, wornach alle Schönheit ringt – deine wilde Begierde strebt diesem gütigen Willen entgegen, gewaltsam verkehrst du die wohlthätigen Zwecke der Natur – Fülle des Lebens hat die Freundliche um dich her gebreitet und Tod nöthigst du ihr ab. Dein Haß schärfte das friedliche Eisen zum Schwerdte, mit Verbrechen und Flüchen belastet deine Habsucht das schuldlose Gold, an deiner unmässigen Lippe wird das Leben des Weinstocks zum Gifte. Unwillig dient das Vollkommene deinen Lastern, aber deine Laster stecken es nicht an. Rein bewahrt sich das mißbrauchte Werkzeug in deinen unreinen Dienste. Seine Bestimmung kannst du ihm rauben, aber nie den Gehorsam, womit es ihr dienet. Sey menschlich oder sey Barbar – mit gleich kunstreichem Schlage wird das folgsame Herz deinen Haß und deine Sanftmuth begleiten.

Lehre mich deine Genügsamkeit, deinen ruhigen Gleichmuth Natur – Treu wie du habe ich an der Schönheit gehangen, von dir laß mich lernen die verfehlte

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft11_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)