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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.

das erste Schattenbild entwarf. Bewunderung des Helden rührte dem Künstler das Herz, als er die edle Gestalt in Metall oder Marmor zuerst verewigte. Dankbarkeit gegen die „geahndeten, besseren Wesen“, womit die Einbildungskraft den Olymp und das Empyräum bevölkerte, schuf die erste Bildsäule eines Gottes mit den Zügen der verklärten Menschheit. Jetzt ergrif diese edle Schwärmerey das staunende Volk; es belohnte die Tugend seiner Feldherren, seiner Gesetzgeber, seiner Wohlthäter und Retter durch öffentliche Denkmäler und Statuen; es lies den delphischen Tempel und das Pöcile vom Polygnot verzieren, und Phidias mußte ihm seinen Donnerer und seine Minerva von Gold und Elfenbein bilden. Bäder, Gymnasien und Tempel, die der Stolz der Baukunst waren, erhoben sich auf jener bezauberten Erde; der Pinsel und der Meißel bildeten Wunderwerke, die der asiatische Luxus mit lydischen Schätzen aufwog; die Künstler und das Volk überließen sich der Reizbarkeit des Gefühls und beeiferten sich in die Wette, das Verdienst ihrer Mitbürger zu krönen, den Glanz ihrer Religion zu erhöhen; – und fern von ihnen blieb noch jene Seuche des Egoismus, der sich am gemeinschaftlichen Genusse nicht gnügen läßt. Bis in das Zeitalter des Perikles, da das stolze Athen an die Verschönerung der Stadt und an die Pracht der öffentlichen Feste mit jugendlichem Leichtsinn Millionen verschwendete, blieb der Privatluxus in engen Schranken; die Wohnungen, die Hausgeräthe, die Gewänder, die Mahlzeiten,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Dritter Band welcher das IX. bis XII. Heft enthält.. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1790–1791, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band3_Heft9_105.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)