Seite:De Volkssagen Pommern 178.jpg

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fangen, und so gelang es den Bürgern leicht, seiner habhaft zu werden. Sie legten ihn darauf in Ketten und führten ihn im Triumphe in die Stadt, wo sie ihn in einen tiefen Kerker warfen, und dann Gericht über ihn hielten und ihn zum Tode verurtheilten. Dieses Urtel konnten sie aber nicht so eigenmächtig vollstrecken, sondern sie mußten es erst von dem Herzoge in Stettin unterschreiben lassen. Sie schickten es daher nach Stettin. Allein nun traf es sich, daß der Herzog mit dem Raubgrafen gut Freund war; er schrieb deshalb unter das Urtel die Worte:

Kop af nich loat läwen.

Das schrieb er, ohne irgend ein Zeichen zwischen die Worte zu setzen, so daß es einen ganz zweideutigen Sinn hatte, und man daraus nehmen konnte, was man wollte. Die Bürger deuteten es aber zu ihren Gunsten, und ließen dem Ritter den Kopf abschlagen. In ihrer großen Freude gingen sie sogar so weit, daß sie einen großen Freudentag hielten und mit dem abgeschlagenen Kopfe auf dem Markte herumkugelten, was im Plattdeutschen „bozeln“ heißt. Als das nun der Herzog in Stettin erfuhr, wurde er sehr zornig und legte seine Worte anders aus, und er belegte die Stadt mit einer Geldstrafe, welche sie nach Rügenwalde geben mußte, und wozu jeder Bürger zu gleichem Theile beitragen sollte; von dem Bozeln mit dem Kopfe des Ritters hieß diese Strafe das Bozelgeld.

Mündlich.


142. Die Kirche ohne Thurm.

Das Dorf Gristow, eine Meile von Greifswald, hat eine Kirche, die zwar zu den reichsten im Lande gehört, denn sie hat ein Vermögen von 20- bis 30,000 Thalern, die aber keinen Thurm hat, und auch keinen bekommen kann. Schon seit uralten Zeiten haben die Leute gesagt, auf die

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1840, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Volkssagen_Pommern_178.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)