Seite:De Volkssagen Pommern 243.jpg

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aufwacht, da sieht er die Jungfrau vor sich stehen; sie hatte wunderschöne Augen, und sie weinte und klagte bitterlich über ihr großes Elend, und bat ihn, daß er sie durch die Fuhrt tragen möge. Da wurde der Jäger gerührt; er faßte sich ein Herz, nahm sie auf seinen Arm und trug sie eilends durch die Wellen des kleinen Baches. Und als er sie an der anderen Seite auf das grüne Ufer legt, da war plötzlich der Zauber gelöset, und die Jungfrau verschwunden. Aber an der Stelle, wo sie ihm erschienen war, sah der Jäger jetzt einen großen, unermeßlich reichen Schatz liegen, den die Jungfrau hatte verwahren müssen. Den nahm er zu sich, und er wurde für sein Leben lang ein reicher Mann.

Man erzählt auch, daß, einige Zeit vor ihrer Erlösung durch den Jäger, an einem Johannistage ein Bauer mit einem Fuder Holze bei ihr vorbeigekommen sey. Den hat die Jungfrau freundlich angeredet mit den Worten:

Lod av din Foder Holt!
Lod up en Foder Gold!
Drag mi hier dör davon,
Soll ok nich schwere gon!

Der Bauer hat aber keine Lust gehabt, sondern ihr erwidert:

Dat Gold kann mi nich raken,
Na kort mot ik’t verlaten,
Do helpt ken hoher Mod,
Wann kümmt de bittre Dod!

Darauf ist denn die Jungfrau unter vielen Wehklagen verschwunden.

Freyberg, Pommersche Sagen, S. 10-13.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Empfohlene Zitierweise:
Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Nicolaische Buchhandlung, Berlin 1840, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Volkssagen_Pommern_243.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)