Seite:De Wegener Kontinente 102.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Kontinents wünschenswert.“ Die letzten Verbindungen scheinen zwischen dem nördlichen Brasilien und der Guineaküste geherrscht zu haben: „Westafrika hat ferner mit dem tropischen Süd- und Mittelamerika die Seekuh Manatus gemeinsam, die in Strömen und seichtem, warmem Meerwasser lebt, die atlantische Tiefsee aber unmöglich überqueren kann. Man schließt daraus, daß in naher Vergangenheit eine Seichtwasserverbindung, wohl entlang der Nordküste des Südatlantiks, zwischen Westafrika und Südamerika bestanden habe.“ (Stromer.)

     Namentlich ist es aber v. Ihering, der in seinem Buche: „Die Geschichte des Atlantischen Ozeans“ ein überreiches Beweismaterial für diesen ehemaligen Landzusammenhang gebracht hat [122]. Auf Einzelheiten gehen wir nicht ein; stellt doch das ganze Buch eine Beweisführung für diese Verbindung dar, wenn auch unter der unhaltbaren Deutung, daß dieselbe durch einen Zwischenkontinent „Archhelenis“ gebildet wurde, bei unveränderter Lage der heutigen Kontinentalschollen[1]. Der Abbruch der Verbindung scheint, wie unsere Abb. 1 (S. 7) zeigt, kurz vor Mitte der Kreidezeit erfolgt zu sein[2].

Die ehemalige Landverbindung zwischen Europa und Nordamerika liefert, wie schon dieselbe Abbildung zeigt, ein weniger


  1. Soweit ich sehen kann, findet sich in v. Iherings Buch trotz seiner temperamentvollen Ablehnung der Verschiebungstheorie nicht ein einziger positiver Grund gegen dieselbe. Insbesondere habe ich das Kap. 20 („Zwei Weltanschauungen: v. Ihering und Taylor-Wegener“) mehrmals mit der besten Absicht durchgelesen, mich über seine Einwände zu orientieren. Aber ich fand nur fortwährende Verwechslungen von Kontinent und Kontinentalscholle, und von Flachsee und Tiefsee. Es scheint daher, daß v. Iherings Ablehnung der Verschiebungstheorie nicht auf den Beobachtungstatsachen beruht, die im Gegenteil, wie auch Köppen [127] hervorgehoben hat, ausgezeichnet zu dieser passen, sondern auf nicht ausreichender Bekanntschaft mit dem Wesen dieser Theorie (vgl. hierzu meine Entgegnung auf v. Iherings Kritik in [128]).
  2. Die Angaben hierüber wie auch über die Schlußzeiten der anderen Verbindungen sind naturgemäß nicht bei allen Forschern ganz gleichlautend. So glaubte ich noch bei der zweiten Auflage dieses Buches aus der mir damals zugänglichen Literatur entnehmen zu sollen, daß die Verbindung zwischen Südamerika und Afrika noch bis in den ältesten Abschnitt des Tertiärs hinein angedauert habe, während ich mich später überzeugen konnte, daß sie nach der Mehrzahl der Forscher schon in der Kreidezeit erlosch. Einzelne Gegner der Verschiebungstheorie, die nicht bemerkt haben, daß diese unbedeutende Korrektur schon in der dritten Auflage dieses Buches berücksichtigt wurde, klammern sich noch heute an diese Ungenauigkeit und glauben dadurch seltsamerweise die Verschiebungstheorie wiederlegen zu können. In Wirklichkeit hat die Frage der Zeitsetzung überhaupt nichts mit der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Verschiebungstheorie zu tun; sie bleibt vollkommen den Spezialwissenschaften überlassen und dient der Verschiebungstheorie nur dazu, ihre Aussagen präziser zu gestalten. Auch wenn künftig — was durchaus möglich ist — in diesen Zeitsetzungen noch kleine Korrekturen angebracht werden müßten (große sind nicht mehr zu befürchten), so wäre doch kein Anlaß, von einer Korrektur der Verschiebungstheorie zu sprechen.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_102.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)