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Ozeans, die auf diese Weise zuerst ihres Sialmantels beraubt wurde. Es wäre nicht undenkbar, daß die alten Faltungen in den Gneismassiven Brasiliens, Afrikas, Vorderindiens und Australiens das Äquivalent dieser Öffnung des Pazifik darstellen.

     Diese Zusammenschübe der Sialsphäre mußten natürlich eine Verdickung und damit ein Herauswachsen zur Folge haben, während gleichzeitig die Tiefseebecken geräumiger wurden. Die Überflutungen der Kontinentalschollen mußten daher — abgesehen von ihrem Ortswechsel — im Laufe der Erdgeschichte im ganzen immer mehr abnehmen.

Abb.56.

Ehemalige und künftige hypsometrische Kurve der Erdoberfläche.
für die Zukunft, für die Gegenwart, für die Vorzeit, im Urzustand (zugleich mitlleres Krustenniveau).

Dies Gesetz ist allgemein anerkannt. Es geht auch aus der Betrachtung unserer drei Rekonstruktionskarten (S. 18) sehr deutlich hervor.

     Es ist wichtig, zu beachten, daß der Entwicklungsprozeß der Sialrinde ein einseitiger sein mußte, auch wenn die Kräfte wechselten. Denn Zugkräfte können die Falten einer Kontinentalscholle nicht wieder glätten, sondern sie höchstens zerreißen. Ein wechselndes Spiel der Druck- und Zugkräfte ist also nicht imstande, seine Wirkungen selbst wieder aufzuheben, sondern erzeugt einseitig fortschreitende Wirkungen: Zusammenschub und Zerteilung. Die Sialdecke wird im Laufe der Erdgeschichte immer kleiner (an Oberfläche) und dicker, aber sie wird auch immer mehr zerteilt. Diese Dinge ergänzen einander und sind Wirkungen derselben Ursachen. In Abb. 56 sind die hypsometrischen Kurven dargestellt, welche hiernach für die Vorzeit, Gegenwart und Zukunft anzunehmen wären. Das mittlere Krustenniveau stellt zugleich die ursprüngliche Oberfläche der noch ungespaltenen Sialsphäre dar.

     Andererseits besteht die Möglichkeit, das Becken des Pazifischen Ozeans als die Spur der Mondablösung nach Darwins Ideen zu betrachten. Dann wäre bei diesem Vorgang ein Teil der Sialkruste der Erde verlorengegangen. Der einzige Weg, zu einem Urteil hierüber zu kommen, scheint mir der zu sein, daß man den Grad der Zusammenfaltung der Sialschollen abzuschätzen sucht. Dazu liegt aber bisher wohl noch keine Möglichkeit vor.

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_209.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)