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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

sich hat und von Hauff nur als Karikatur für einige mit guter Satire gezeichnete Szenen aus den ästhetischen Theegesellschaften dieser Zeit benutzt wird. In diesen Kapiteln, bei der sinnlich werdenden Unterhaltung der jungen Mädchen über die Gardebeinkleider, sowie schon vorher in der Einleitung bei den heimlichen Einverständnissen des Satans mit den Damen und in der Geschichte von Dr. Schnatterer findet sich übrigens schon ein Zug Hauffs, den er später im „Mann im Monde“ trefflich gegeißelt, aber freilich auch oft genug unbewußt aus eigenem Triebe angewandt hat: ein Zug, mit leiser Andeutung das Sinnliche zu streifen, der sicher aus der Jugendlektüre in sein Blut übergegangen ist. Die Satire „Ein Festtag im Fegefeuer“ richtet sich vor allem gegen die seichte Litteratur und gegen das Publikum, das an dieser und der Hohlheit der litterarischen Klubs Gefallen fand; sie ist, wenn auch an sich nicht besonders bedeutend, so doch für uns deshalb von Interesse, weil sie Hauff eigentlich hier gegen sich selbst und seine Jugendthorheit richtet und uns dabei zugleich ein Bild seiner eigenen Entwickelung gibt. Die eingeschaltete Novelle „Der Fluch“ ist spannend geschrieben, mit Geschick und zum Teil guter Charakteristik durchgeführt, aber doch nicht zu einem wirklich befriedigenden Ende gebracht. Warum in der Fortsetzung im zweiten Teile auf einmal der Satan darin mit auftritt, ist nicht recht ersichtlich, da er doch die Gelegenheit, die sich ihm zur Intrige bietet, nicht ausbeutet, sondern nur den höhnisch dreinschauenden Beobachter spielt.

Der zweite Teil dieser Memoiren bringt uns als „Vorspiel“ eine prächtige Satire des inzwischen verhandelten lächerlichen Prozesses, den Clauren wegen des „Mannes im Monde“ gegen dessen Verfasser und Verleger angestrengt und vor Gericht gewonnen, im Urteile der Schriftstellerwelt aber schmählich verloren hatte. Hauffs Satire zerzaust mit einer trefflichen Nachahmung der Aktenphrasen die ganze Kleinlichkeit der juristischen Wortklauberei. Nach der Vollendung der Novelle „Der Fluch“ folgt dann das Kapitel „Mein Besuch in Frankfurt“. Dasselbe enthält neben einiger guter Charakteristik der Personen und der Handelsmanipulationen und neben einer wohlgelungenen Wiedergabe des Judendeutschs doch ein recht mattes Bild dieses Lebens und neben manchem guten Humor viele der alltäglichen Gemeinplätze und Witzeleien über das Judentum. Allerdings kommt hier der Satan wieder einmal zu seinem Rechte, indem er einen bisher ehrlichen Kaufmann durch seine Überredungskünste zu einem betrügerischen Spekulanten macht. Der Schluß des Ganzen, die Fortführung des „Festtages im Fegefeuer“, ist sehr matt und steht durchaus nicht mehr auf der Höhe des [27] ersten Teiles, der mit seiner Frische uns noch heute so gut wie damals ergötzen kann und den „Memoiren des Satan“ noch immerfort neue Leser aus dem Kreise vernünftig Denkender zuführen wird. Es ist übrigens leicht erklärlich, daß Hauff bei der Abfassung des zweiten Teiles dieser Memoiren nicht mehr das unmittelbare Interesse für diesen Gegenstand hatte, sondern ihn nur als eine Pflicht den Lesern des ersten Teiles gegenüber betrachtete, hatten doch seine Pläne und seine Aussichten inzwischen eine ganz andere Richtung angenommen. Jetzt war er einem weit größeren Kreise des Publikums bekannt als der Verfasser des „Mannes im Monde“ und des „Lichtenstein“, jetzt hatten sich durch die Reise und durch neue Menschenkenntnisse seine Ansichten geläutert, er war sich des eigentlichen Feldes seiner künftigen Thätigkeit mehr bewußt geworden und lebte nun auch schon ausschließlich mit seinen Gedanken und seiner Kraft in dieser Sphäre.

Der „Mann im Monde“, der 1825 als nächstes Werk erschienen war, kann in seinen Uranfängen auch bis in die Zeit der Studienjahre des Dichters zurückdatiert werden[1], doch, wohl zu beachten, nur die Grundzüge der Novelle, nichts aber, was auf Clauren Bezug hätte. Dieser Roman gehört trotz manches Abstoßenden, was als reine Übertreibung von Claurens Eigenheiten hinzugethan ist, zu dem Interessantesten, was Hauff geschrieben hat. Ein Stoff aus der unmittelbaren Gegenwart ist mit großem Geschick zu einer spannenden, verwickelten Fabel verschlungen und bis ans Ende einheitlich und straff durchgeführt, d. h. bis ans Ende der wirklichen Handlung; denn die letzten Kapitel von den „Präliminarien“ bis zu der „Nachschrift“ gehören eigentlich nicht mehr dazu, sie sind nur ein paar überflüssige grobe Klötze zur Verspottung Claurens. Ziehen wir nun überhaupt von dem Ganzen die eingefügten absichtlichen Übertreibungen sowohl nach der Seite der versteckt durchschimmernden Lüsternheit wie nach der Seite der langatmigen, breiten Auseinandersetzungen ganz unwesentlicher Äußerlichkeiten ab, so werden wir finden, daß nicht nur die meisten Charaktere mit sicherer Hand durchgeführt sind, sondern daß wir es hier auch mit wirklichen Menschen von Fleisch und Blut zu thun haben, die ihrem Kreise entsprechend handeln und empfinden. Und als solche Realitäten würde man auch manche lüsterne Anspielung, manche angedeuteten Gedanken rein menschlicher Natur empfinden, wenn sie nicht eben zu sehr mit bewußter Übertreibung aufgetragen wären. Wir haben schon öfter Gelegenheit gehabt, kennen zu lernen, daß dergleichen


  1. Vgl. über dessen Entstehung unsere Einleitung zu diesem Werke.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 26–27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_020.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)