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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Logogryph.

Kennst du das Wort, das Herzen mächtig bindet?
Kennst du der Liebe trauliches Symbol?
Das feste Band, das sich um Freunde windet,
Des Fürsten Heil, des Vaterlandes Wohl?

5
     An Stärke muß ihm Stahl und Eisen weichen;

Doch hat es einen mächt’gen stillen Feind;
Streichst du des hohen Wortes erstes Zeichen,
Hast du die finstre Macht, die ich gemeint.

     Solang’ die Welt steht, liegen diese beiden

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Im Kampf um höchstes Leid und höchste Lust;

Halt fest am Ganzen; laß sie nimmer streiten
In deiner stillen und zufriednen Brust.


Rätsel.

Es ist ein Wort, dreideutig dem Germanen;
Einst war das Erste furchtbar seinen Ahnen;
Der schwere Zeiger der Geschichte rückt,
Der Deutsche erbt das Zepter; ihr erblickt,

5
Wie dem erwählten deutschen Sohne

Im Zweiten die gewicht’ge Krone
Der Bischof auf die Stirne drückt.
Es kreist im hochgewölbten Saale
Das Dritte bei dem Krönungsmahle.

 * * *

10
     Noch sitzt auf halbzerfallnem Throne,

Noch hält die längst bestrittne Krone
Die alte Königin der Welt.
Ob sie wohl je vom Throne fällt?
Vielleicht; doch liest du sie von hinten,

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So wirst du einen König finden,

[27] Der herrscht, seitdem die Welt besteht,
Des Reich nur mit der Welt vergeht;
Sie schießt nicht ew’ge Donnerkeile,
Doch ewig treffen seine Pfeile.

 * * *

20
     Einst hieß man mich die schönste aller Frauen,

Selbst Könige entzweite meine Macht.
Zehntausend Krieger aus Europas Gauen,
Von Asiens Landen schlugen manche Schlacht,
Und eher nicht war ihres Kampfes Ziel,

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Als bis erschlagen alle Heldensöhne

Und bis ein stolzes Königshaus zerfiel;
Und dennoch pries man die unsel’ge Schöne.

     Und wieder tönte jüngst mein alter Namen,
Doch bin ich häßlich und verlassen nun,

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Von allen, die des Weges zu mir kamen,

Will keiner lang’ an meiner Seite ruhn;
Nur einer kam, der erste, dem nicht graut
An meinem Herd für immer still zu liegen,
Der lange mir ins blasse Antlitz schaut

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Und bitter lacht ob meinen düstern Zügen.


     „Ach, darum also“, sprach er, „läßt du feiern
Dein unheilvoll Gedächtnis bis auf heut’,
Damit du reihtest zu den alten Freiern
Auch einen Heros aus der neuen Zeit?

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Doch lockst du mich mit keinem Erdentand,

Denn Zeus zerschlug dein Ilium in Scherben;
Wohlan! auch meine Trojer deckt der Sand,
So laß mich denn in deinen Armen sterben.“


Charade.

Der ersten Silb’ entströmen Wein und Lieder,
Und was du einsam denkst, macht sie bekannt,
Oft geht sie mit dem Zwang auch Hand in Hand,
Schlägt selbst in Fesseln deine freien Glieder;

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 26–27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)