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Kohler! Stehen nicht dort ganz andere Leut’, die er grüßen könnte; ist nicht der Herr Bürgermeister auf dem Platz, und steht dort nicht mein Gevatter, der Herr von Besserer, am Eck? Ich wollt’ dem Junker den Kopf beugen lernen, wenn ich Herr wäre; aber glaubt mir, der da beugt seinen Nacken nicht, und wenn der Kaiser selbst käme. Er muß auch etwas Rechtes sein, denn der Ratsschreiber, mein Nachbar, der sonst allen Gästen feind ist, hat ihn in seiner Behausung.“

„Der Kraft?“ fragte der Weber verwundert, „ei, ei! aber halt, dahinter steckt ein Geheimnis. Das ist gewiß so ein junger Potentat oder gar des Bürgermeisters von Köln sein Sohn, der auch unter dem Heer mitreiten soll. Steht nicht dort des Kraften alter Johann?“

„Weiß Gott, er ist’s“, fiel der Waffenschmied ein, den die Vermutungen des Webers neugierig gemacht hatten; „er ist’s, und ich will ihn beichten lassen, trotz dem Probst von Elchingen.“ Aber so klein auch der Raum zwischen den beiden Bürgern und dem alten Diener des Kraftischen Hauses war, so konnte doch der Schmied nicht zu ihm durchkommen, so dicht standen die Zuschauer. Endlich drang die gewichtige Miene des Obermeisters aller Weber durch, denn er war reich und angesehen in der Stadt; er erwischte den alten Johann und zog ihn zu dem Schmied. Doch auch der alte Johann konnte wenig Bescheid geben, er wußte nichts, als daß sein Gast ein Herr von Sturmfeder sei. „Übrigens muß er nicht ‚weit her‘ sein“, setzte er hinzu, „denn er reitet ein Landpferd und hat keine Dienstleute mit sich; meinem Herrn aber wird der Gast übel bekommen, denn unsere alte Sabine, die Amme, ist wie ein Drache, daß er die Hausordnung stört und ungefragt, nur so mir nichts dir nichts, ein fremdes Menschenkind mit Stiefel und Sporen ins Haus schleppt.“

„Nichts für ungut“, fiel ihm der Obermeister in die Rede, „Euer Herr, Johann, ist ein Narr! Die alte Hexe – Gott verzeih’ mir’s – hätte ich schon lange auf die Straße geworfen, wo sie hingehört. Hat der Herr doch sein gutes Alter, und soll sich behandeln lassen, als läge er noch in den Windeln.“

„Ihr habt gut reden, Meister Kohler“, antwortete der alte [113] Diener, „aber das versteht Ihr doch nicht recht. Auf die Gasse werfen? Wer soll denn nachher haushalten?“

„Wer?“ schrie der erhitzte Weber; „wer? Ein Weib soll er nehmen, eine Hausfrau wie ein anderer Christ und Ulmer Bürger auch; was hat er nötig als Junggeselle zu leben, und allen Mädchen in der Stadt nachzulaufen? Hab’ ich ihn nicht neulich angetroffen, wie er meiner Katharine schön gethan hat? Schiff und Geschirr hätte ich ihm mögen an den Kopf werfen, dem gestrengen Herrn; so aber – seine Mutter selig hat manch schönes Tafelstück bei mir weben lassen, die brave Frau – so mußt’ ich meine Mütze abziehen und sagen: ‚Gehorsamen guten Abend, und was befehlen Euer Wohledlen!‘ Daß dich der –“

„Ei, schau einer!“ sagte Johann mit unmutigem Gesicht; „ich habe immer gedacht, ein Herr wie der Ratsschreiber, mein Herr, könne in allen Ehren mit Eurem Töchterlein ein Wort wechseln, ohne daß die böse Welt –“

„So? ein Wort wechseln, und abends nach der Vesperglock’ im März? Er heiratet sie doch nicht, und meint Ihr, meines Kindes guter Ruf müsse nicht so rein sein wie Eures Herrn seine weiße Halskrause? Das könnt’ ich brauchen!“

Der Obermeister hatte während seinen eifrigen Reden den alten Johann an der Brust gepackt und seine Stimme so erhoben, daß die Umstehenden aufmerksam wurden; der Meister Schmied hielt es daher für das Beste, den Erzürnten mit Gewalt wegzuziehen, und er verhütete so zwar weitere Streitigkeiten, doch konnte er nicht verhüten, daß es schon um Mittag in der ganzen Stadt hieß: Herr von Kraftens Johann habe noch in seinen alten Tagen eine Liebschaft mit des Obermeisters Töchterlein und seie von dem erzürnten Vater auf der Wiese darüber zur Rede gestellt worden.

Die Übungen des Fußvolkes waren indes zu Ende gegangen, das Volk verlief sich, und auch den jungen Mann, der die unschuldige Ursache zu jenem Streit gewesen war, sah man seine Schritte der Stadt zuwenden; sein Gang war langsam und ungleich, sein Gesicht schien bleicher als sonst, seine Blicke suchten noch immer den Boden oder schweiften mit dem Ausdruck von

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 112–113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_079.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)