Seite:De Wilhelm Hauff Bd 1 096.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sprach der Bauer und fuhr ganz gelassen fort, dem Pferd das Futter hinzureichen.

„Und woher kommst du denn?“ fragte Georg, nachdem er sich ein wenig von seinem Erstaunen gesammelt hatte.

„Nun, Ihr seid ja so schnell von Ulm weggeritten, daß ich Euch nicht gleich folgen konnte“, antwortete jener.

„Lüge nicht!“ unterbrach ihn der junge Mann, „sonst kann ich dir fürder nicht vertrauen. Du kommst jetzt nicht aus jener Stadt her?“

„Nun, Ihr werdet mich doch nicht schelten, daß ich mich etwas früher auf den Weg machte als Ihr?“ sagte der Bauer und wandte sich ab; doch entging Georg nicht, daß jenes listige Lächeln wieder über sein Gesicht zog.

„Laß mein Pferd jetzt stehen“, rief Georg ungeduldig, „und komm mit mir unter die Eiche dort; da setze dich hin und sprich, aber ohne auszuweichen, warum hast du gestern abend so plötzlich die Stadt verlassen?“

„An den Ulmern lag es nicht“, entgegnete jener, „sie wollten mich sogar einladen, länger bei ihnen zu bleiben, und wollten mir freie Kost und Wohnung geben.“

„Ja, ins tiefste Verlies wollten sie dich stecken, wo weder Sonne noch Mond hinscheint, und wohin die Kundschafter und Späher gehören.“

„Mit Verlaub, Junker“, erwiderte der Bote, „da wäre ich, wiewohl ein paar Stockwerke tiefer, in dieselbe Behausung gekommen wie Ihr?“

„Hund von einem Aufpasser!“ rief der Junker ungeduldig, indem Zorn seine Wangen rötete; „willst du meines Vaters Sohn in eine Reihe stellen mit dem Pfeifer von Hardt!“

„Was sprecht Ihr da?“ fuhr der Mann an seiner Seite mit wilder Miene auf, „was nennt Ihr für einen Namen? kennt Ihr den Pfeifer von Hardt?“ Er hatte vielleicht unwillkürlich bei diesen Worten die Axt, die neben ihm lag, in seine nervige Rechte gefaßt. Seine gedrungene, feste Gestalt, seine breite Brust gaben ihm trotz seiner nicht ansehnlichen Größe doch das Ansehen eines nicht zu verachtenden Kämpfers; sein wild rollendes Auge, sein [147] eingepreßter Mund möchten manchen einzelnen Mann außer Fassung gebracht haben.

Der Jüngling aber sprang mutig auf, er warf sein langes Haar zurück, und ein Blick voll Stolz und Hoheit begegnete dem finsteren Auge jenes Mannes; er legte seine Hand an den Griff seines Schwertes und sagte ruhig und fest: „Was fällt dir ein, dich so vor mich hinzustellen und mit dieser Stirne mich zu fragen; du bist, wenn ich nicht irre, der, den ich nannte, du bist dieser Meuter und Anführer von aufrührerischen Hunden; pack dich fort, auf der Stelle, oder ich will dir zeigen, wie man mit solchem Gesindel spricht!“

Der Bauer schien mit seinem Zorn zu ringen; er hieb die Axt mit einem kräftigen Schwung in den Baum und stand nun ohne Waffe vor dem zürnenden jungen Mann. „Erlaubet“, sagte er, „daß ich Euch für ein andermal warne, daß Ihr Euren Gegner, und sei er auch nur ein geringer Bauersmann wie ich, nicht zwischen Euch und Eurem Braunen stehen lasset; denn wenn ich Euren Befehl, mich fortzupacken, hätte aufs schnellste befolgen wollen, wäre er mir trefflich zu statten kommen.“

Ein Blick dahin überzeugte Georg, daß der Bauer wahr gesprochen habe; errötend über diese Unvorsichtigkeit, die beweisen konnte, wie wenig er noch Erfahrung im Kriege besitze, ließ er seine Hand von dem Griff seines Schwertes sinken und setzte sich, ohne etwas zu erwidern, auf die Erde nieder. Der Bauer folgte, jedoch in ehrerbietiger Entfernung, seinem Beispiel und sprach: „Ihr habt ganz recht, daß Ihr mir grollt, Herr von Sturmfeder, aber wenn Ihr wüßtet, wie weh mir jener Name thut, würdet Ihr vielleicht meine schnelle Hitze verzeihen! Ja! ich bin der, den man so nennt, aber es ist mir ein Greuel, mich also rufen zu hören; meine Freunde nennen mich Hans, aber meinen Feinden gefällt jener Name, weil ich ihn hasse.“

„Was hat dir dieser unschuldige Name gethan?“ fragte Georg, „warum nennt man dich so? warum willst du dich nicht so nennen lassen?“

„Warum man mich so nennt?“ antwortete jener, „ich bin aus einem Dorf, das heißt Hardt und liegt im Unterland nicht weit

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 146–147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_096.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)