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des Ritters gelegen, war wie weggeblasen, er lachte zuerst leise vor sich hin, dann aber brach er in lautes Gelächter aus, in welches, wie auf ein gegebenes Zeichen, auch der Spielmann einstimmte.

Georg sah bald den einen, bald den andern fragend an, aber seine verlegenen Blicke schien nur die Lachlust der beiden Männer noch mehr zu reizen. Endlich faßte sich der Geächtete: „Verzeihet, werter Gast, daß ich das Gastrecht so gröblich verletzte und mir nicht lieber die Zunge abgebissen habe, ehe ich etwas von Euch lächerlich fand; aber wie kommt Ihr nur auf den Marx Stumpf? Kennet Ihr ihn denn?“

„Nein, aber ich weiß, daß er ein tapferer Ritter ist, daß er wegen des Herzogs vertrieben wurde, und daß die Bündischen auf ihn lauern; und paßt dieses nicht alles ganz gut auf Euch?“

„Danke Euch, daß Ihr mich für so tapfer haltet, aber das möchte ich Euch doch raten, daß Ihr dem Stumpf nicht bei Nacht in den Weg kommet wie mir, denn dieser hätte Euch ohne weiteres zu Kochstücken zusammengehauen. Der Schweinsberg ist ein kleiner, dicker Kerl, einen Kopf kleiner als ich, und darum kam mir unwiderstehlich das Lachen. Übrigens ist er ein ehrenwerter Mann und einer von den wenigen, die ihren Herrn im Unglück nicht verließen.“

„So seid Ihr nicht dieser Schweinsberg?“ entgegnete Georg traurig, „und ich muß gehen, ohne zu wissen, wer mein Freund ist?“

„Junger Mann!“ sagte der Geächtete mit Hoheit, die nur durch den gewinnenden Ausdruck der Freundlichkeit gemildert wurde, „Ihr habt einen Freund gefunden durch Euer tapferes, ehrenvolles Wesen, durch Euren offenen, freien Blick, durch Eure warme Teilnahme an dem unglücklichen Herzog. Es sei Euch genug, diesen Freund gewonnen zu haben, fraget nicht weiter, ein Wort könnte vielleicht dieses trauliche Verhältnis zerstören, das mir so angenehm ist. Lebet wohl, denket an den geächteten Mann ohne Namen und seid versichert, ehe zwei Tage vorbeigehen, sollt Ihr von mir und meinem Namen hören!“ Es wollte Georg dünken, als stehe dieser Mann trotz seines unscheinbaren Kleides vor ihm wie ein Fürst, der seinen Diener huldreich entläßt, so [241] groß war jene unbeschreibliche Hoheit, die ihm auf der Stirne thronte, so erhaben der Glanz, der aus seinem Auge drang.

Der Pfeifer hatte unter diesen Worten die Fackeln angezündet und stand erwartend am Eingang der Grotte; der geächtete Ritter drückte einen Kuß auf die Lippen des Jünglings und winkte ihm, zu gehen. Er ging und wußte nicht, wie ihm geschah, noch nie war ihm ein Mensch so freundlich nahe und doch zugleich so unendlich hoch über ihm gestanden, noch nie hatte er gefühlt wie in jenen Augenblicken, daß ein Mann entkleidet von jenem irdischen Glanze, der das Leben schmückt, selbst in ärmlicher Hülle und Umgebung, eine Erhabenheit und Größe von sich strahlen könne, die das Auge blendet und das Gefühl des eigenen Ichs so plötzlich überrascht und hinabdrückt. Mit diesem Gedanken beschäftigt, ging er durch die Höhle; die erhabene Pracht der Natur, die beim Eintritt sein Auge überrascht und gefesselt hatte, ging für ihn verloren; er staunte nicht mehr, daß sie im Schoße eines unscheinbaren Berges sich so herrlich und großartig ausgesprochen habe. War ja doch sein inneres Auge mit einem Gegenstand beschäftigt, in welchem sie sich noch imposanter und großartiger aussprach als in der nächtlichen Pracht dieser Felsen; denn er bewunderte die Erhabenheit des menschlichen Geistes über jedes irdische Verhältnis und dachte nach über die Majestät einer großen Seele, die auch im Gewande des Bettlers ihren angeborenen Adel nicht verleugnen kann.

Ein heller, freundlicher Tag empfing sie, als sie aus der Nacht der Höhle zum Licht herausstiegen. Georg atmete freier und leichter in der kühlen Morgenluft, denn der feuchte Dunst, der in den Gängen und Grotten der Höhle umzieht, und wovon sie vielleicht den Namen Nebelhöhle trägt, lagert sich beengend auf die Brust. Sie fanden das Pferd des jungen Ritters noch an derselben Stelle angebunden, munter und frisch wie sonst, und selbst die Waffenstücke, die am Sattel befestigt waren, hatten durch den Nachttau nicht Schaden gelitten, wie Georg befürchtet hatte, denn der Pfeifer von Hardt hatte ein grobes Tuch, das ihm beim Unwetter gegen Regen und Kälte dienen mochte, über den Rücken des Pferdes ausgebreitet. Georg machte seine Kleidung und das Zeug des

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 240–241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_143.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)