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„Daz ist einmal ein Fürst!“ sprach er zu den Hauptleuten, die neben ihm standen. „Waz der für eine gewaltige Stimme hat und wie er greulich mit den Augen funkelt, daz ez einem angst und bange wird. Hu, ich meine, er woll’ mich mit Haut und Haar verschlucken, alz er mich fragte: ‚Wer bist denn du?‘“

„Mir wor’s g’rod, wie wenn einer siedend Wasser über mein’ Leib schütten thät? In Wien ist doch auch ’n Kaiser, aber der thut nit so g’waltig wie der do!“

„Also Hauptleut’ sind wer g’wesen“, sprach der Hauptmann Muckerle, „die Herrlichkeit hat nit lang dauert.“

„Narr! daz ist mir recht. ‚Würde bringt Bürde‘, zagt ein Sprichwort. Die anderen haben oft nicht recht gehorcht, wenn wir befohlen haben; Diavolo, hat doch erst heute einer mich ausgelacht. Hat allez einen besseren Schick, wenn’z die Herren anführen; den Goldgülden und die vier Maaz haben wir ja doch, und daz bleibt die Hauptzache.“

„Dat meen’ ich ooch! und dat haben wer dem langen Peter tu verdanken. Er soll leben!“

„Dank’ schön! aber daz zag’ ich, der Herr wird dem Bund aufzünden, Mordblei! Wenn der erst ein Schwert in die Hand nimmt, der jagt die Städtler allein auz dem Land! Und zeine Räte und Kanzler und die Landschaft! Habt ihr gehört, wie greulich er über die geflucht hat? Ich möcht’ in keinez Haut stecken.“

Das Wirbeln der Trommeln unterbrach das Gespräch dieser tapferen Krieger; diese Töne erschollen nicht mehr auf ihren Befehl, aber der lange Peter war in seinen vielen Feldzügen so sehr an den Wechsel von Glück und Unglück, von Hoheit und Niedrigkeit gewöhnt worden, daß er über den Sturz seines Regiments nicht trauerte. Gelassen nahm er die Hahnenfeder von dem großen Hut, legte die rote Schärpe und den langen Hieber, die Zeichen seiner Würde, ab und ergriff eine Hellebarde. „Gott straf’ mein’ Zeel’, ez ist schwer für einen Kerl wie ich, zwölf Fähnlein zu regieren“, sagte er, als er sich wieder als guter Landsknecht in die Reihen seiner Kameraden stellte. „Aber bei Sankt Petruz, dem trefflichen Landsknecht – er muß jetzt auch Oberst zein in den himmlischen Heerscharen, Kyrie Eleyzon! – der Mensch muß [323] allez probieren auf Erden.“ Die Landsknechte schüttelten ihm die Hand und bestätigten es; es that seinem tapferen Herzen wohl, zu hören, er habe sein Kommando trefflich verwaltet. Die drei Ritter, ihre Anführer, saßen auf und stellten sich zu ihren Fähnlein, die Landsknechte richteten sich in gewohnter Ordnung zum Marsch, und Ludwig von Gemmingen ließ die Trommeln rühren zum Aufbruch.





III.


 „Erstiegen ist der Wall, wir sind im Lager!
 Jetzt werft die Hülle der verschwiegnen Nacht
 Von euch, die euren stillen Zug verhehlte,
 Und macht dem Feinde eure Schreckensnähe
 Durch lauten Schlachtruf kund –“
 Schiller.[1]


Es war in der Nacht vor Mariä Himmelfahrt, als Herzog Ulerich vor dem Rothenbildthor in Stuttgart anlangte. Er hatte auf seinem Zuge schnell das Städtchen Leonberg erobert und war dann unaufhaltsam immer weiter gedrungen. Vieles Volk lief zu, denn wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht verbreitet, daß der Herzog wieder im Lande sei. Jetzt erst zeigte es sich, wie wenig Freunde der Bund sich erworben hatte; denn überall wurde die Freude laut, daß das gehässige Regiment des Bundes ein Ende habe, daß das angestammte Fürstenhaus wieder in seine alten Rechte sich einsetze.

Auch nach Stuttgart war bald diese Nachricht vorgedrungen und hatte die verschiedensten Empfindungen dort erregt. Der Adel, der sich in der Stadt befand, wußte nicht, was er sich vom Herzog zu versehen hatte; die Übergabe von Tübingen war noch in zu frischem Gedächtnis, als daß er ganz unbesorgt gewesen wäre. Aber die Erinnerung an den glänzenden Hof Ulerichs von Württemberg, an die fröhlichen Tage, die sie dort verlebt hatten, die Vergleichung dieser Zeit mit dem freudenlosen Leben der Bundesräte mochte sie günstig für den Herzog stimmen, wenn auch


  1. „Jungfrau von Orleans“. 2. Aufzug, 4. Auftritt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 322–323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_184.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)