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Wort mehr, Georg von Sturmfeder. Schnell ans Werk. Ich sag’, roll’ mein Panier auf. Blast Trompeter, blast, schmettert sie auf aus dem Schlaf, daß sie merken, ein Württemberger ist vor dem Thor und will trotz Kaiser und Reich in sein Haus. Ich sag’, fordere sie auf, Sturmfeder.“

Georg folgte schweigend dem Befehl; er ritt bis dicht vor den Graben und rollte das Panier von Württemberg auf. Die Strahlen des Mondes schienen es freundlich zu begrüßen, sie beleuchteten es deutlich und zeigten seine Felder und Bilder. Auf eine große Fahne von roter Seide war Württembergs Wappen eingewoben. Der Schild zeigte vier Felder. Im ersten waren die württembergischen Hirschhörner angebracht, im zweiten die Würfel von Teck, im dritten die Reichssturmfahne, die dem Herzog als Reichsbannerträger zukam, und im vierten die Fische von Mömpelgard, der Helm aber trug die Krone und das Uracher Jägerhorn. Der junge Mann schwenkte das schwere Panier in der starken Hand, drei Trompeter ritten neben ihm auf und schmetterten ihre wilden Fanfaren gegen die verschlossene Pforte.

Im Thore öffnete sich ein Fenster; man fragte nach dem Begehr. Georg von Sturmfeder erhob seine Stimme und rief: „Ulerich, von Gottes Gnaden Herzog zu Württemberg und Teck, Graf zu Urach und Mömpelgard, fordert zum zweiten- und letztenmal seine Stadt Stuttgart auf, ihm willig und sogleich die Thore zu öffnen. Widrigenfalls wird er die Mauer stürmen und die Stadt als feindlich ansehen.“

Noch während Georg dieses ausrief, hörte man das verworrene Geräusch vieler Tritte und Stimmen in der Stadt, es kam näher und näher und wurde zum Tumult und Geschrei.

„Gott straf’ mein’ Zeel’, zie machen einen Auzfall!“ sagte der lange Peter, laut genug, um vom Herzog verstanden zu werden.

„Du könntest recht haben“, erwiderte dieser, indem er sich plötzlich zu dem erschrockenen Landsknecht wandte. „Schließt dichter an, streckt die Piken vor und haltet die Lunten bereit; wir wollen sie empfangen nach Verdienst.“

Die ganze Linie zog sich vom Graben zurück, nur die drei ersten Fähnlein stellten sich da, wo die Zugbrücke sich ans Land legen [331] mußte, auf. Ein Wall von Piken starrte jedem Angriff entgegen, und die Schützen hatten die Donnerbüchsen aufgelegt und hielten die Lunten über dem Zündloch; tiefe Stille der Erwartung war auf dieser Seite, desto brausender drang der Lärm aus der Stadt herüber. Die Brücke fiel herab, aber keine Feinde waren es, die zu einem Ausfall herüberdrangen, sondern drei alte, graue Männer kamen aus dem Thor; sie trugen das Wappen der Stadt und die Schlüssel.

Als der Herzog dies sah, ritt er etwas freundlicher hinzu. Georg folgte ihm und betrachtete diese Übergabe. Zwei dieser Männer schienen Ratsherren oder Bürgermeister zu sein; sie beugten das Knie vor dem Herrn und überreichten ihm die Zeichen ihrer Unterwerfung. Er gab sie seinen Dienern und sagte zu den Bürgern: „Ihr habt uns etwas lange warten lassen vor der Thüre; wahrhaftig, wir wären bald über die Mauer gestiegen und hätten eigenhändig eure Stadt zu unserem Empfang beleuchtet, daß euch der Rauch die Augen hätte beizen sollen. Der Teufel! warum ließet ihr so lange warten?“

„O Herr!“ sagte einer der Bürger, „was die Bürgerschaft betrifft, die war gleich bereit, Euch aufzuthun, wir haben auch etliche vornehme Herren vom Bunde hier, die hielten lange und gefährliche Reden an das Volk, um es gegen Euch aufzuwiegeln. Das hat so lange verzögert.“

„Ha! wer sind diese Herren? Ich hoffe nicht, daß ihr sie habt entkommen lassen! Mich gelüstet, ein Wort mit ihnen zu sprechen.“

„Bewahre, Euer Durchlaucht! wir wissen, was wir unserm Herrn schuldig sind. Wir haben sie sogleich gefangen und gebunden. Befehlt Ihr, daß wir sie bringen?“

„Morgen früh ins Schloß! will sie selbst verhören, schicket auch den Scharfrichter; werde sie vielleicht köpfen lassen.“

„Schnelle Justiz, aber ganz nach Verdienst!“ sprach hinter den beiden Bürgern eine heisere, krächzende Stimme.

„Wer spricht da mir ins Wort?“ fragte der Herzog und schaute sich um; zwischen den beiden Bürgern heraus trat eine sonderbare Gestalt. Es war ein kleiner Mann, der den Höcker, womit ihn die Natur geziert hatte, unter einem schwarzen seidenen

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 330–331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_188.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)