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warum, er fürchtete für den Herzog, wenn er sich dem Kanzler vertraue, er glaubte Tücke und Falschheit in seinen Augen gelesen zu haben.

Er sah gerade den Höcker und den wehenden gelben Mantel um die Ecke schweben, als eine Stimme neben ihm flüsterte: „Trauet dem Gelben nicht!“ Es war der Pfeifer von Hardt, der sich unbemerkt an seine Seite gestellt hatte.

„Wie? bist du es, Hans?“ rief Georg und bot ihm freundlich die Hand. „Kommst du ins Schloß, uns zu besuchen? Das ist schön von dir, bist mir wahrhaftig lieber als der mit dem Höcker; aber was wolltest du mit dem Gelben, dem ich nicht trauen solle?“

„Das ist eben der mit dem Höcker, der Kanzler, der ist ein falscher Mann; ich habe auch den Herzog verwarnt, er soll nicht alles thun, was er ihm rät, aber er wurde zornig und – es mag wahr sein, was er sagte.“

„Was sagte er denn? Hast du ihn heute schon gesprochen?“

„Ich kam, um mich zu verabschieden, denn ich gehe wieder heim nach Hardt zu Weib und Kind; der Herr war erst gerührt und erinnerte sich an die Tage seiner Flucht und sagte, ich soll mir eine Gnade ausbitten. Ich aber habe keine verdient, denn was ich gethan, ist eine alte Schuld, die ich abgetragen. Da sagte ich, weil ich nichts anders wußte, er soll mich meinen Fuchs frei schießen lassen und nicht strafen als Jagdfrevel. Des lachte er und sprach: das könne ich thun, das sei aber keine Gnade; ich solle weiter bitten. Da faßte ich ein Herz und antwortete: ‚Nun, so bitt’ ich, Ihr möget dem schlauen Kanzler nicht allzuviel trauen und folgen. Denn ich meine, wenn ich ihn sehe, er meint es falsch –‘“

„So geht es mir gerade auch“, rief Georg, „es ist, als wolle er mir die Seele ausspionieren mit den grünen Augen, und ich wette, er meint es falsch; aber was gab dir der Herzog zur Antwort?“

„‚Das verstehst du nicht‘, sagte er und wurde böse; ‚in Klüften und Höhlen magst du wohl bewandert sein, aber im Regiment kennt der Kanzler die Schliche besser als du.‘ Kann sein, [339] ich habe unrecht, und es soll mir lieb sein um den Herzog! Nun lebet wohl, Junker! Gott sei mit Euch; Amen.“

„Und wolltest du also gehen; wolltest nicht noch zu meiner Hochzeit bleiben? Ich erwarte den Vater und das Fräulein heute. Bleibe noch ein paar Tage; du warst so oft der Liebesbote und darfst uns nicht fehlen!“

„Was soll so ein geringer Mann, wie ich, bei der Hochzeit eines Ritters? Zwar könnte ich mich hinaufsetzen zu den Spielleuten und auch eines aufspielen zum Ehrentanz, aber das thun andere so gut als ich, und mein Haus verlangt nach mir.“

„Nun, so lebe wohl; grüße mir dein Weib und Bärbele, dein schmuckes Töchterlein, und besuche uns fleißig auf Lichtenstein; Gott sei mit dir.“

Dem Jüngling hing eine Thräne im Auge, als er dem Bauer die Hand zum Abschied bot, denn er hatte in ihm einen kräftigen, biedern Mann, einen treuen Diener seines Fürsten, einen mutigen Genossen in Gefahren und einen heitern Gesellen im Unglück erkannt. Wohl schwebte ihm noch manche Frage über das geheimnisvolle Walten dieses Mannes, über seine wunderbare Anhänglichkeit an den Herzog auf den Lippen, aber er unterdrückte sie, überwältigt von jener unerklärlichen Macht, von jener natürlichen Größe und Würde, welche den Pfeifer von Hardt auch im unscheinbaren Gewand des Bauers umgab.

„Noch eins!“ rief Hans, als er eben nach dem letzten Händedruck des Junkers scheiden wollte, „wisset Ihr auch, daß Euer ehemaliger Gastfreund und zukünftiger Vetter, Herr von Kraft, hier ist?“

„Der Ratsschreiber? Wie sollt’ der hieher kommen? Er ist ja bündisch!“

„Er ist hier, und nicht gerade im anmutigsten Klosett, denn er sitzt gefangen. Gestern abend, als das Volk zusammenlief wegen des Herzogs, soll er für den Bund öffentlich gesprochen haben.“

„Gott im Himmel! das war Dieterich Kraft, der Ratsschreiber. Da muß ich schnell zum Herzog, er richtet schon über ihn, und der Kanzler will ihn köpfen lassen! Gehab’ dich wohl!“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 338–339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_192.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)