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„Gerede, nichts weiter; ich weiß gewiß, daß der Herzog sich mit Bayern versöhnen wird.“

„Ja will, aber nicht versöhnen wird. Das hat noch manchen Haken. Aber, was sehe ich; Ihr werdet doch nicht den alten Fetzen von einer Feldbinde zu dem stattlichen Hochzeitschmuck anlegen wollen? Pfui, das paßt nicht zusammen, lieber Vetter.“

Der Bräutigam betrachtete die Schärpe mit inniger Liebe. „Das verstehet Ihr nicht“, sagte er, „wie gut sich dies zum Hochzeitgewande schickt. Es ist ihr erstes Geschenk; sie flocht sie heimlich bei Nacht auf ihrem Kämmerlein, als ihr die Kunde kam, daß sie bald scheiden müsse. Sie hat manche Thräne hineingewoben, hat das Gewebe oft an die Lippen gedrückt, drum ward es mir eine Zauberbinde und meinen Augen ein Trost, wenn ich im Unglück auf die Brust herniedersah. Sie darf nicht fehlen, diese Binde, hat sie die Not mit mir getragen, so sei sie mir ein heiliger Schmuck am Tage des Glückes.“

„Nun, wie Ihr wollt, hängt sie in Gottes Namen um; jetzt noch das Barett aufgesetzt und schnell den Mantel umgehängt, sie läuten schon das erste drüben in der Kirche. Sputet Euch, lasset das Bräutlein nicht so lange warten!“

Der Ratsschreiber stellte sich noch einmal vor den jungen Mann und musterte mit strengen Kenneraugen seinen Anzug. Er zog dort eine Spange schärfer an, er verwischte dort eine Falte, steckte hier eine Feder höher, und immer zufriedener wurden seine Blicke. Er gestand sich, daß der große, schlanke, junge Mann, sein schöner Kopf, die klaren, mutigen Augen ganz des lieblichen Bäschens würdig sei. „Weiß Gott“, sagte er, „Ihr sehet aus, Vetter, als wäret Ihr von unserem Herrgott gerade zum Hochzeiter erschaffen worden. Es ist mir lieb, daß Euch heute Bertha nicht sehen kann, es möchte ihr wieder auf acht Tage schwindelnd werden, dem armen Kind! – Kommt, kommt; ich fühle mich stolz, Euer Geselle zu sein: wenn ich auch vierzehn Tage zu spät nach Ulm zurückkehre.“

Georgs Wangen röteten sich, sein Herz pochte, als er sein Gemach verließ. Die Freude, die Erwartung, die Erfüllung jahrelanger Wünsche bestürmten seine Sinne, und wie trunken ging [363] er neben Herrn Dieterich durch die Galerien. Die Thüre ging auf, und Marie im Glanze ihrer Schönheit stand umgeben von vielen Frauen und Fräulein, die vom Herzog eingeladen, heute ihre Begleitung bilden sollten. Marie errötete, als sie den Geliebten sah, sie betrachtete ihn staunend, als seien seine Züge heute mit einem neuen Glanze übergossen, sie schlug die Augen nieder, als sie seinen freudetrunkenen Blicken begegnete. Was hätte Georg dafür gegeben, die Geliebte an sein Herz ziehen, den Morgengruß der Liebe auf ihre Lippen drücken zu dürfen, aber die strenge Sitte der Zeit trennte an diesem Tage durch eine weite Kluft, was sich sonst schon längst gefunden hätte. Dem Bräutigam war es nicht erlaubt, die Hand der Braut zu berühren, ehe sie der Priester in die seinige legte, und der Braut wurde es übel aufgenommen, wenn sie den Bräutigam gar zu viel und gar zu lange ansah. Züchtig, ehrbar, die Augen auf den Boden geheftet, die Hände unter der Brust gefaltet mußte sie stehen – so wollt’ es die Sitte.

Bei mancher andern möchte diese Stellung erzwungen und steif erschienen sein, doch, wie die Natur über ihre lieblichsten Töchter in jeder Lage, in Trauer und Freude, den Zauber der Schönheit ausgießt, so war auch diese unnatürliche Haltung der Braut bei Marien zum gelungensten Bild geworden; die zarte Röte, die alle Augenblicke auf ihren Wangen wechselte, der süße Mund, in dessen Winkeln ein Lächeln aufzukeimen schien, der feine, weiche Vorhang der gesenkten Lider, die zarten Fransen der dunkeln Wimpern, durch welche die blauen glänzenden Augen wie eine aufgehende Sonne kaum sichtbar durchschimmerten, sie gaben ein Bild holder verschämter Liebe, die dem Geliebten die Arme öffnen, die seinen Namen mit den süßesten Tönen aussprechen, die die Augen aufschlagen möchte, um ihm durch einen Blick ihre Wünsche zu verkünden; doch die mächtigere Natur, das verwirrende Gefühl der Beschämung windet ihr die Hände nur noch fester zusammen, schlägt die zarte Hülle der Wimpern vor das glühende Auge herab und verschließt den Mund, daß er nur heimlich und stille lächelt, aber das Geheimnis der Liebenden nicht ausspricht.

Verschwunden war die erhabene Haltung Mariens, verschwunden die Majestät ihrer Stirne und jener gebietende ernste

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 362–363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_204.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)