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Die Pfeifersfrau wußte was Lebensart sei, sie verbeugte sich daher von der Thüre der Tyrnitz in einem fort, bis sie zum Stuhl des Herzogs kam. Frau Rosel hatte noch die Röte des Zornes auf ihren magern Wangen, denn die Landsknechte, namentlich der Magdeburger und Kaspar Staberl, hatten sie höchlich beleidigt und sie eine dürre Stange geheißen. Ehe sie noch sich sammeln und den Herrschaften geziemend die Familie ihres Bruders vorstellen konnte, hatte die runde Frau schon einen Zipfel von des Herzogs Mantel gefaßt und ihn an die Lippen gedrückt: „Guetan Obed, Herr Herzich“, sprach sie dazu mit tiefen Knixen; „wie got Ich’s, seit er wieder in Schtuagerdt send; mei Ma loßt Ich schö grüaßa; mer komme aber et zum Herr Herzich, noi, zu dem Herra dort drübe welle mer. Mer hent a Hochzeitschenke für sei Frau. Do sietzt se jo, gang Bärbele, lang’s aus em Krättle.“

„Ach! du lieber Gott“, fiel Frau Rosel ihrer Schwägerin ins Wort; „bitt’ unterthänigst um Verzeihung, Euer Durchlaucht, daß ich die Leut’ reingebracht habe; ’s ist Frau und Kind vom Pfeifer von Hardt; ach! du Herrgott, nehmet doch nichts übel, Herr Herzog; die Frau meint’s gwiß gut.“

Der Herzog lachte mehr über diese Entschuldigung der Frau Rosel, als über die Reden ihrer Schwägerin: „Was macht denn dein Mann, der Pfeifer? Wird er uns bald besuchen? Warum kam er nicht mit euch?“

„Sell hot sein Grund, Herr!“ erwiderte die runde Frau; „wenn’s Krieg geit, bleibt er gwiß et aus; do ka mer’n brauche; aber im Frieda? Noi, do denkt er, mit grauße Herra ist’s et guet Kirscha fressa.“

Frau Rosel wollte beinahe verzweifeln über die Naivität der runden Frau, sie zog sie am Rock und am langen Zopfband, es half nichts, die Frau des Pfeifers sprach zu großer Ergötzung des Herzogs und seiner Gäste immer weiter, und das unauslöschliche Gelächter, das ihre Antworten erregten, schien ihr Freude zu machen. Bärbele hatte indessen mit dem Deckel des Körbchens gespielt, sie hatte einigemal gewagt, ihre Blicke zu erheben, um jenes Gesicht wiederzusehen, das im Fieber der Krankheit so oft an ihrem [377] Busen geruht und in ihren treuen Armen Ruhe und Schlummer gefunden hatte, jenen Mund wiederzusehen, den sie so oft heimlicherweise mit ihren Lippen berührt hatte, und jene Augen, deren klarer, freundlicher Strahl ewig in ihrem Gedächtnis fortglühte. Sie erhob ihre Blicke immer wieder von neuem, doch, wenn sie bis an seinen Mund gekommen war, schlug sie sie wieder – aus Furcht, seinem Auge zu begegnen – herab.

„Siehe, Marie“, hörte sie ihn sagen, „das ist das gute Kind, das mich pflegte, als ich krank in ihres Vaters Hütte lag, das mir den Weg nach Lichtenstein zeigte.“

Marie wandte sich um und ergriff gütig ihre Hand; das Mädchen zitterte, und ihre Wangen färbte ein dunkles Rot, sie öffnete ihr Körbchen und überreichte ein Stück schöner Leinwand und einige Bündel Flachs, so fein und zart wie Seide. Sie versuchte zu sprechen, aber umsonst, sie küßte die Hand der jungen Frau, und eine Thräne fiel herab auf ihren Ehering.

„Ei, Bärbele“, schalt Frau Rosel, „sei doch nicht so schüchtern und ängstlich; gnädige Fräulein – wollte sagen, gnädige Frau, habt Nachsicht, sie kommt selten zu vornehmen Leuten. ‚Es ist niemand so gut, er hat zweierlei Mut‘, heißt es im Sprüchwort; das Mädchen kann sonst so fröhlich sein wie eine Schwalbe im Frühling, –“

„Ich danke dir, Bärbele!“ sagte Marie, „wie schön deine Leinewand ist! Die hast du wohl selbst gesponnen?“

Das Mädchen lächelte durch Thränen; sie nickte ein Ja! – zu sprechen schien ihr in diesem Augenblick unmöglich zu sein. Der Herzog befreite sie von dieser Verlegenheit, um sie noch in eine größere zu ziehen. „Wahrhaftig, ein schönes Kind hat Hans der Spielmann“, rief er aus, und winkte ihr näherzutreten; „hochgewachsen und lieblich anzuschauen! Schaut nur, Herr Kanzler, was ihr das rote Mieder und das kurze Röckchen gut ansteht; wie? Ambrosius Volland, meinst du nicht, wir könnten durch ein allgemeines Edikt diese niedliche Tracht auch bei unseren Schönen in Stuttgart einführen?“

Der Kanzler verzog sein Gesicht zu einem gräulichen Lächeln; er beschaute das errötende Mädchen mit seinen Äuglein vom

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 376–377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_211.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)