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für immer‘. Den beiden Herren sagst du, sie sollen sich halten bis fünf Uhr, ehe der Tag aufgeht, sei ich mit sechstausend Mann bei ihnen, und dann wollen wir den Bund erwarten. Gehab’ dich wohl, Georg.“

Der junge Mann erwiderte den Gruß, indem er sich ehrerbietig neigte; er ritt an der Spitze der tapfern Reiter und trabte mit ihnen das Thal hinauf. Es waren kräftige Gestalten mit breiten Schultern und starken Armen; unter den Sturmhauben hervor blickten ihn mutige Augen und breite, ehrliche Gesichter freundlich an; er fühlte sich ehrenvoll ausgezeichnet, eine solche Schar zu führen. Bald ging jetzt der Weg bergan, man näherte sich dem Fuß des Roten Berges, auf dessen Gipfel das Stammschloß von Württemberg weit über das schöne Neckarthal hinsah. Es war vom Sternenschimmer matt erhellt, und Georg konnte seine Formen nicht deutlich unterscheiden, aber dennoch blickte er immer wieder nach diesen Türmen und Mauern hinauf; er erinnerte sich jener Nacht, wo Ulerich in der Höhle mit Wehmut von der Burg seiner Väter sprach, von welcher er sonst auf ein schönes Land voll Obst, Wein und Frucht hinabgeschaut, und dies alles sein genannt hatte. Er versank in Gedanken über das unglückliche Schicksal dieses Fürsten, das ihm aufs neue den Besitz des schönen Landes streitig zu machen schien; er dachte nach über die sonderbare Mischung seines Charakters, wie hier wahrhafte Größe oft durch Zorn, Trotz und unbeugsamen Stolz entweiht sei.

„Was Ihr dort unten unterscheiden könnet zwischen den beiden Bäumen“, unterbrach ihn der Reiter, welcher ihm den Weg zeigte, „ist die Turmspitze von Untertürkheim. Es geht jetzt wieder etwas ebener, und wenn wir Trab reiten, können wir bald dort sein.“

Der junge Mann trieb sein Pferd an, der ganze Zug folgte seinem Beispiel, und bald waren sie im Angesicht dieses Dorfes. Hier war eine doppelte Linie von Landsknechten aufgestellt, welche ihnen drohend die Hellebarden entgegenstreckten. An vielen Punkten sah man den rötlichen Schimmer glühender Lunten, die wie Scheinwürmchen durch die Nacht funkelten.

[391] „Halt, werda?“ rief eine tiefe Stimme aus ihren Reihen. „Gebt die Losung!“

„Ulericus für immer“, rief Georg von Sturmfeder. „Wer seid Ihr?“

„Gut Freund!“ rief Marx Stumpf von Schweinsberg, indem er aus den Reihen der Landsknechte heraus und auf den jungen Mann zu ritt. „Guten Morgen, Georg; Ihr habt lange auf Euch warten lassen, schon die ganze Nacht sind wir auf den Beinen und harren sehnlich auf Verstärkung, denn dort drüben im Wald sieht es nicht geheuer aus, und wenn Frondsberg den Vorteil verstanden hätte, wären wir schon längst übermannt.“

„Der Herzog zieht mit sechstausend Mann heran“, erwiderte Sturmfeder. „Längstens in zwei Stunden muß er da sein.“

„Sechstausend, sagst du? Bei Sankt Nepomuk, das ist nicht genug; wir sind zu dritthalbtausend, das macht zusammen gegen neuntausend; weißt du, daß sie über zwanzigtausend stark sind, die Bündischen? Wieviel Geschütz bringt er mit?“

„Ich weiß nicht; es wurde erst nachgeführt, als wir ausritten.“

„Komm, laß die Reiter absitzen und ruhen“, sagte Marx Stumpf; „sie werden heute Arbeit genug bekommen.“

Die Reiten saßen ab und lagerten sich; auch die Landsknechte lösten ihre Reihen auf und stellten nur starke Posten auf den Anhöhen und am Neckar auf. Marx Stumpf besichtigte alle Anstalten, und Georg legte sich in seinen Mantel gehüllt nieder, um noch einige Stunden zu ruhen. Die Stille der Nacht, nur durch den eintönigen Ruf der Wachen unterbrochen, senkte ihn bald in einen Schlummer, der seine Seele weit hinweg über Krieg und Schlachten, in die Arme seines Weibes entführte.




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 390–391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_218.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)