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IX.


 „In schwarzen Pulverdämpfen
 Verbirgt sich Mann und Roß;
 Ihr schlagt euch immer kecker
 Bergunter alle zumal;
 Jetzt sprengt ihr durch den Necker,
 Jetzt fechtet ihr im Thal.“
 G. Schwab.[1]


Georg erwachte am Wirbeln der Trommeln, die das kleine Heer unter die Waffen riefen. Ein schmaler Saum war am Horizont helle, der Morgen kam, die Truppen des Herzogs sah man in der Ferne daherziehen. Der junge Mann setzte den Helm auf, ließ sich den Brustharnisch wieder anlegen und stieg zu Pferd, den Herzog an der Spitze seiner Mannschaft zu empfangen. Aus Ulerichs Zügen war zwar nicht der Ernst, wohl aber alle Düsterkeit verschwunden. Sein Auge sprühte von einem kriegerischen Feuer, und aus seinen Mienen sprach Mut und Entschlossenheit. Er war ganz in Stahl gekleidet und trug über seinem schweren Eisenkleid einen grünen Mantel mit Gold verbrämt. Die Farben seines Hauses wehten in seinem großen wallenden Helmbusch. Sonst unterschied er sich in nichts von den übrigen Rittern und Edeln, die, ebenfalls in blankes Eisen „bis an die Zähne“ gekleidet, den Herzog in einem großen Kreis umgaben. Er begrüßte freundlich Hewen, Schweinsberg und Georg von Sturmfeder und ließ sich von ihnen über die Stellung des Feindes berichten.[Hauff 1]

Noch war von diesem nichts zu sehen; nur an dem Saum des Waldes, gegen Eßlingen hin, sah man hin und wieder seine Posten stehen. Der Herzog beschloß, den Hügel, den die Landsknechte besetzt gehalten hatten, zu verlassen und sich in die Ebene hinabzuziehen. Er hatte wenig Reiterei, der Bund aber, so berichteten Überläufer, zählte dreitausend Pferde. Im Thal hatte er auf einer Seite den Neckar, auf der andern einen Wald, und so war er wenigstens auf den Flanken vor einem Reiterangriff sicher.

Lichtenstein und mehrere andere widerrieten zwar diese Stellung im Thal, weil man vom Hügel zu nahe beschossen werden [393] könne; doch Ulerich folgte seinem Sinn und ließ das Heer hinabsteigen. Er stellte zunächst vor Türkheim die Schlachtordnung auf und erwartete seinen Feind. Georg von Sturmfeder wurde beordert, in seiner Nähe mit den Reitern, die er ihm anvertraut hatte, zu halten; sie sollten gleichsam seine Leibwache bilden; zu diesen berittenen Bürgern gesellten sich noch Lichtenstein und vierundzwanzig andere Ritter, um bei einem Reiterangriff den Stoß zu verstärken. In jenen Tagen war ein Treffen oft in viele kleine Zweikämpfe zerstreut, die Ritter, die einem Heere folgten, fochten selten in geschlossenen Massen, sondern suchten mit schnellem Blicke einen Gegner unter den Reihen des Feindes, den sie dann mit Schwert und Lanze bekämpften. Eine solche Schar war es, die bei Georgs Reiterhaufen stand, und den Herzog selbst gelüstete es, seine ungeheure Kraft, seine weit berühmte Fertigkeit in einem solchen Zweikampf zu erproben, und nur die inständigen Bitten der Ritter hielten ihn ab, diese romantische Idee auszuführen. Neben dem Herzog hielt eine sonderbare Figur, beinahe wie eine Schildkröte, die zu Pferd sitzt, anzusehen. Ein Helm mit großen Federn saß auf einem kleinen Körper, der auf dem Rücken mit einem gewölbten Panzer versehen war; der kleine Reiter hatte die Kniee weit heraufgezogen und hielt sich fest am Sattelknopf. Das herabgeschlagene Visier verhinderte Georg, zu erkennen, wer dieser lächerliche Kämpfer sei; er ritt daher näher an den Herzog heran und sagte:

„Wahrhaftig, Euer Durchlaucht haben sich da einen überaus mächtigen Kämpen zum Begleiter ausersehen. Sehet nur die dürren Beine, die zitternden Arme, den mächtigen Helm zwischen den kleinen Schultern – wer ist denn dieser Riese?“

„Kennst du den Höcker so schlecht?“ fragte der Herzog lachend. „Sieh nur, er hat einen ganz absonderlichen Panzer an, der wie eine große Nußschale anzusehen, um seinen teuren Rücken zu verwahren, wenn es etwa zur Flucht käme. Es ist mein getreuer Kanzler, Ambrosius Volland!“

„Bei der heiligen Jungfrau! dem habe ich bitter unrecht gethan“, entgegnete Georg; „ich dachte, er werde nie ein Schwert ziehen und ein Roß besteigen, und da sitzt er auf einem Tier so


  1. Dritte Strophe der 6. Romanze „Aus dem Jugendleben des Herzogs Christoph von Wirtemberg“.

Anmerkungen (Hauff)

  1. [434] Wir benützten zur Beschreibung dieser Schlacht hauptsächlich: Joh. Betzii hist. Ulrici Ducis Würt. und Thetinger, der besonders bei dem Angriff der Reiterei auf den mit Geschütz besetzten Hügel sehr ins einzelne geht.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 392–393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_219.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)