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waren, hatten sich in Galopp gesetzt und den Eingang der Brücke in diesem Augenblick erreicht und besetzt.

Noch war es zu dunkel, als daß man den Feind genau hätte unterscheiden können, doch nur zu bald zeigten sich seine feindlichen Absichten. „Ergebt Euch, Herzog von Württemberg“, rief eine Stimme, die den Rittern nicht unbekannt schien; „Ihr sehet, es ist kein Ausweg da zur Flucht!“

„Wer bist du, daß Württemberg sich dir ergeben soll?“ antwortete Ulerich mit grimmigem Lachen, indem er sein Schwert zog; „du sitzt ja nicht einmal zu Roß; bist du ein Ritter?“

„Ich bin der Doktor Calmus“, entgegnete jener, „und bin bereit, die vielen Liebesdienste zu vergelten, die Ihr mir erwiesen habt. Ein Ritter bin ich, denn Ihr habt mich ja zum Ritter vom Esel gemacht; aber ich will Euch dafür zum Ritter ohne Roß machen. Abgestiegen, sag’ ich, im Namen des durchlauchtigsten Bundes.“

„Gib Raum, Hans“, flüsterte der Herzog mit unterdrückter Stimme dem Spielmann zu, der mit gehobener Axt zwischen ihm und dem Doktor stand, „geh, tritt auf die Seite; ihr Freunde schließt euch an, wir wollen plötzlich auf sie einfallen, vielleicht gelingt es durchzubrechen!“ Doch nur Georg vernahm diesen Befehl des Herzogs, denn die andern Ritter hielten wohl zehn Schritte hinter ihnen den Eingang besetzt, und waren schon mit den bündischen Reitern im Gefecht, die umsonst dieses ritterliche Paar zu durchbrechen und zu dem Herzog durchzudringen versuchten. Georg schloß sich an Ulerich an und wollte mit ihm auf den Doktor und die Knechte einsprengen, aber diesem war das Flüstern des Herzogs nicht entgangen. „Drauf ihr Männer, der im grünen Mantel ist’s; lebendig oder tot!“ rief er, drang mit seinen Knechten vor und griff zuerst an. Sein langer Arm führte einen fünf Ellen langen Spieß; er zückte ihn nach Ulerich, und es wäre vielleicht um ihn geschehen gewesen, da er ihn in der Dunkelheit nicht gleich bemerkte, doch Hans kam ihm zuvor, und indem der berühmte Doktor Kahlmäuser nach der Brust seines Herrn stieß, war ihm die Axt des Pfeifers tief in die Stirne gedrungen; er fiel, so lang er war, mit Gebrüll auf die Knechte zurück. Sie [417] stutzten, der Bauersmann schien ein schrecklicher Kämpfer, denn seine Axt schwirrte immer noch in den Lüften, er bewegte sie wie eine Feder hin und her; sie zogen sich sogar einige Schritte zurück. Diesen Augenblick benützte Georg, riß dem Herzog den grünen Mantel ab, hing ihn sich selbst um und flüsterte ihm zu, sein Pferd zu spornen und sich über die Brüstung der Brücke hinabzustürzen. Der Herzog warf einen Blick auf die hochgehenden Wellen des Neckars und hinauf zum Himmel; es schien keine andere Rettung möglich, und er wollte lieber auf Leben und Tod den Sprung wagen, als seinen Feinden in die Hände fallen; doch der Anblick, der sich ihm in diesem schrecklichen Moment darbot, zog ihn noch einmal zurück.

Die Knechte hatten die Speere vorgestreckt und drangen vor; der Pfeifer stand noch immer, obgleich aus mehreren Wunden blutend, und schlug mit der Axt ihre Speere nieder. Seine Augen blitzten, seine kühnen Züge trugen den Ausdruck von freudiger Begeisterung, und das Lächeln, das um seinen Mund zog, war nicht das der Verzweiflung, nein, seine mutige Seele erbebte nicht vor dem nahenden Tod, er blickte ihm mit stolzer Freude entgegen, als sei er der Kampfpreis, um den er so viele Sorgen und Gefahren auf sich genommen habe. Noch einen schlug er mit seiner starken Rechten zu Boden, da stieß ihm einer der Knechte von der Seite her die Hellebarde in die Brust, in diese treue Brust, die noch im Tod ein Schild für den unglücklichen Fürsten war, dem nie ein treueres Herz geschlagen hatte. Er wankte, er sank zusammen, er heftete das brechende Auge auf seinen Herrn: „Herr Herzog, wir sind quitt!“ rief er freudig aus und senkte sein Haupt zum Sterben.

An ihm vorüber ging der Weg der Knechte, die mit Freudengeschrei näher zudrangen – da warf sich Georg von Sturmfeder in die Mitte; seine Klinge schwirrte in der Luft, und so oft sie niederfiel, zuckte einer der Feinde am Boden. Es war der letzte Schild Herzog Ulerichs von Württemberg; sank dieser noch, so war Gefangenschaft oder Tod unvermeidlich. Drum wandte er sich zum letzten Mittel; er warf noch einen thränenschweren Blick auf die Leiche jenes Mannes, der seine Treue mit dem Tod besiegelt

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 416–417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_231.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)