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„Jeder nach seiner Art“, entgegnete Frondsberg, „er hat uns aber auch in Feindes Reihen Ehre gemacht.“

Der Ritter von Lichtenstein umarmte seinen Sohn. „Er ist in Sicherheit“, flüsterte er ihm zu, und beider Augen glänzten von Freude, zu der Rettung des unglücklichen Fürsten beigetragen zu haben. Da fielen die Blicke des alten Ritters auf den grünen Mantel, der noch immer um Georgs Schultern hing; er erstaunte, er sah ihn näher an. „Ha! jetzt erst verstehe ich ganz, wie alles so kommen konnte“, sprach er bewegt, und eine Thräne der Freude hing in seinen grauen Wimpern; „sie nahmen dich für ihn; was wäre aus ihm geworden, wenn dich der Mut nur einen Augenblick verlassen hätte? Du hast mehr gethan als wir alle, du hast gesiegt, wenn wir jetzt auch Besiegte heißen; komm an mein Herz, du würdiger Sohn.“

„Und Marx Stumpf von Schweinsberg?“ fragte Georg; „auch er gefangen?“

„Er hat sich durchgehauen, wer vermöchte auch seinen Hieben zu widerstehen; meine alten Knochen sind mürbe, an mir liegt nichts mehr, aber er ist dem Herzog nachgezogen und wird ihm eine bessere Hülfe sein als fünfzig Reiter. Doch den Pfeifer sah ich nicht; sage, wie ist er entkommen aus dem Streit?“

„Als ein Held“, erwiderte der junge Mann, von der Wehmut der Erinnerung bewegt; „er liegt erstochen an der Brücke.“

„Tot?“ rief Lichtenstein, und seine Stimme zitterte; „die treue Seele! Doch wohl ihm, er hat gethan wie ein Edler und ist gestorben, treu, wie es Männern ziemt!“

Frondsberg näherte sich ihnen und unterbrach ihre Reden. „Ihr scheint mir so niedergeschlagen“, sagte er; „seid mutig und getrost, alter Herr! das Kriegsglück ist wandelbar, und Euer Herzog wird wohl auch wieder zu seinem Lande kommen, wer weiß, ob es nicht besser ist, daß wir ihn noch auf einige Zeit in die Fremde schickten. Leget Helm und Panzer ab; das Gefecht zum Frühstück wird Euch die Lust zum Mittagessen nicht verdorben haben. Setzet Euch zu uns. Ich erwarte gegen Mittag den Wächter, unter dessen Obhut Ihr auf eine Burg gebracht werden sollet. Bis dahin lasset uns noch zusammen fröhlich sein!“

[427] „Das ist ein Vorschlag, der sich hören läßt“, rief Breitenstein. „Zu Tisch, ihr Herren; wahrlich, Georg, mit dir habe ich nicht mehr gespeist seit dem Imbiß im Ulmer Rathaussaal. Komm, wir wollen redlich nachholen, was wir versäumten.“

Hans von Breitenstein zog Georg zu sich nieder, die anderen folgten seinem Beispiel; die Knechte trugen auf, und der edle Wein machte den Ritter von Lichtenstein und seinen Sohn vergessen, daß sie in mißlichen Verhältnissen, im feindlichen Lager seien, daß sie vielleicht einem ungewissen Geschick und, wenn sie die Reden Frondsbergs recht deuteten, einer langen Gefangenschaft entgegengehen. Gegen das Ende der Tafel wurde Frondsberg hinausgerufen; bald kam er zurück und sprach mit ernster Miene: „So gerne ich noch länger eure Gesellschaft genossen hätte, liebe Freunde, so thut es jetzt not, aufzubrechen. Der Wächter ist da, dem ich euch übergeben muß, und ihr müßt euch sputen, wollet ihr heute noch die Feste erreichen.“

„Ist er ein Ritter, dieser Wächter?“ fragte Lichtenstein, indem sich seine Stirne in finstere Falten zog; „ich hoffe, man wird auf unseren Stand Rücksicht genommen haben und uns ein anständiges Geleite geben?“

„Ein Ritter ist er nicht“, antwortete Frondsberg lächelnd, „doch ist er ein anständiges Geleite; Ihr werdet Euch selbst davon überzeugen.“ Er lüftete bei diesen Worten den Vorhang des Zeltes, und es erschienen die holden Züge Mariens; mit dem Weinen der Freude stürzte sie an die Brust ihres Gatten, und der alte Vater stand stumm von Überraschung und Rührung, küßte sein Kind auf die schöne Stirne und drückte die Hand des biedern Frondsberg.

„Das ist euer Wächter“, sprach dieser, „und der Lichtenstein die Feste, wo sie euch gefangen halten soll. Ich sehe es ihren Augen an, sie wird den jungen Herrn nicht zu strenge halten, und der Alte wird sich nicht über sie beklagen können; doch rate ich Euch, Töchterchen, habet ein wachsames Auge auf die Gefangenen, lasset sie nicht wieder von der Burg, gestattet nicht, daß sie wieder Verbindungen mit gewissen Leuten anknüpfen, Ihr haftet mit Eurem Kopf dafür!“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 426–427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_236.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)