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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

als es sich zeigte, wie sie alle nur schnöde Koketten seien, haben wir da nicht die Liebe thörichterweise verschworen und uns vorgenommen, erst dann zu heiraten, wenn die Schwaben klug werden, d. h. im vierzigsten?

Wer kann dich berechnen, verschwören, o Liebe. Du tauchst nieder aus dem Auge der Geliebten und schlüpfst durch unser Auge verstohlen in das Herz. Und dennoch, so kalt konntest du bleiben, wenn ich meine Lieder sang, wolltest den Blick nicht erwidern, den ich so oft nach dir aussandte? Ich möchte ein General sein, nur daß sie meinen Namen in der Zeitung läse, daß es ihr bange würde, wenn sie läse: „Der General Hauff hat sich in der letzten Schlacht bedeutend hervorgethan und acht Kugeln ins Herz bekommen, – woran er aber nicht gestorben.“ Ich möchte ein Tambour sein, nur daß ich vor ihrem Haus meinen Schmerz auslassen und fürchterlich trommeln könnte, und fährt sie dann erschrocken mit dem Köpfchen durchs Fenster, so will ich gerade das Gegenteil russischer Fellraßler machen und vom Fortissimo abwärts trommeln und piano und im leisen Adagiowirbel ihr zuflüstern: „Ich liebe dich.“ Ein berühmter Mensch möchte ich sein, nur daß sie von mir hörte und stolz zu sich sagte: „Der hat dich einst geliebt“; aber leider reden die Leute nicht von mir, höchstens wird man ihr morgen sagen: „Gestern nacht ist er auch wieder bis Mitternacht im Weinkeller gelegen!“ Und wenn ich vollends ein Schuster oder Schneider wäre! Doch dies ist ein gemeiner Gedanke und deiner unwürdig, Adelgunde!

Jetzt wacht wohl keiner mehr, als der Höchste und Niedrigste dieser Stadt, nämlich der Turmwächter hoch oben auf der Domkirche und ich tief unten im Ratskeller. Wär’ ich doch der auf dem Turme! in jeder Stunde wollte ich das Sprachrohr ansetzen und dir ein Lied hinabsingen ins Schlafkämmerlein; doch nein! das würde ja den süßen Engel aus seinem Schlummer wecken, aus seinen holden, lieblichen Träumen. Doch hier unten hört mich niemand, da will ich eines singen. Seele! komme ich mir denn nicht gerade vor wie ein Soldat auf dem Posten, dem das Heimweh recht schwer und tief im Herzen liegt? Und hat nicht einer meiner Freunde dies Lied gedichtet?[WS 1]

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„Steh’ ich in finstrer Mitternacht
So einsam auf der fernen Wacht,
Dann denk’ ich an mein fernes Lieb,
Ob es mir treu und hold verblieb.

Als ich zur Fahne fortgemüßt,
Hat sie so herzlich mich geküßt,
Mit Bändern meinen Hut geschmückt
Und weinend mich ans Herz gedrückt.

Sie liebt mich noch, sie ist mir gut,
Drum bin ich froh und wohlgemut,
Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht,
Wenn ich ans ferne Lieb gedacht.

Jetzt bei der Lampe mildem Schein,
Gehst du wohl in dein Kämmerlein,
Und schickst dein Nachtgebet zum Herrn
Auch für den Liebsten in der Fern’.

Doch wenn du traurig bist und weinst,
Mich von Gefahr umrungen meinst:
Sei ruhig; steh’ in Gottes Hut,
Er liebt ein treu Soldatenblut.

Die Glocke schlägt, bald naht die Rund’
Und löst mich ab zu dieser Stund’:
Schlaf’ wohl im fernen Kämmerlein
Und denk’ in deinen Träumen mein!“

Und denkt sie auch wohl meiner in ihren Träumen? Die Glocken summten dumpf auf den Türmen, sie begleiteten meinen Gesang. Schon Mitternacht? Diese Stunde trägt eigenen, geheimnisvollen Schauer in sich; es ist, als zittere die Erde leise, wenn sich die schlummernden Menschen unter ihr auf die andere Seite legen, die schwere Decke schütteln und den Nachbar im Kämmerlein nebenan fragen: „Ist’s noch nicht Morgen?“ Wie so ganz anders zittert der Ton dieser Mitternachtsglocke zu mir hernieder, als wenn er am Mittag durch die hellen, klaren Lüfte schallt. Horch! ging da nicht im Keller eine Thüre? Sonderbar; wenn ich nicht so ganz allein hier unten wäre, wenn ich nicht wüßte, daß die Menschen nur oben wandeln, ich würde glauben, es tönen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hauff selbst: vgl. Soldatenliebe
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 22–23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_013.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)