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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Dunst strömete hervor, so daß ihm der Weingeist keine Beschwerden machte in der Hirnkammer.

Da schlug der Reitknecht vor Verwunderung die Hände zusammen und rief: ‚Das ist einmal eine schöne Erfindung, Herr Zauberer! könnet Ihr mir nicht auch so ein Ding an den Kopf schrauben, um Geld und gute Worte?‘ – ‚Nein, das geht nicht‘, antwortete jener bedächtig; ‚da seid Ihr nicht erfahren genug in geheimer Wissenschaft; aber ich habe Euch liebgewonnen wegen Eurer absonderlichen Kunst im Trinken, darum möchte ich Euch gerne dienen, wo ich kann. Zum Beispiel, es ist gegenwärtig die Stelle des Kellermeisters vakant allhier. Balthasar Ohnegrund! verlaß den Dienst dieser Schweden, wo es doch mehr Wasser als Wein gibt, und diene dem wohledlen Rat dieser Stadt; wenn wir auch einige Lasten Wein mehr brauchen des Jahrs, die du heimlich saufest, das thut nichts, ein solcher Kapitalkerl hat uns längst gefehlt; Balthasar Ohnegrund! ich mach’ dich morgen zum Kellermeister, wenn du willst. Willst du nicht, so ist’s auch gut; dann weiß aber morgen die ganze Stadt, daß uns der Schwede einen Reitknecht als Schreiber geschickt.‘ Dieser Vorschlag mundete dem Balthasar wie edler Wein; er that einen Blick in dieses unermeßliche Weinreich, schlug sich auf den Magen und sagte: ‚Ich will’s thun.‘ Nachher machten sie noch allerhand Punkte aus, wie es gehalten werden soll nach Ohnegrunds zeitlichem Hinscheiden mit seiner armen Seele. Er wurde Kellermeister, der Hauptmann Gutkunst aber zog mit zweideutigen Bedingungen ab ins schwedische Lager, und als nachher die Kaiserlichen in die Stadt kamen, war der Bürgermeister und Senat froh, daß sie sich mit dem Schweden nicht zu tief eingelassen, obgleich keiner recht wußte, wie es so gekommen war.“

So erzählte die Rose, die Apostel und ich dankten ihr und lachten sehr über die beiden Gesandten, Paulus aber fragte: „Und Balthasar Ohnegrund, der wackere Kunde, was ist aus ihm geworden? blieb er Kellermeister?“ Die Rose aber wandte sich um mit Lächeln, deutete auf eine Ecke des Gemachs und sagte: „Dort sitzt er ja noch, wie vor zweihundert Jahren, der wackere Zecher.“ Mir graute, als ich hinsah; eine bleiche, abgehärmte Gestalt saß [41] in der Ecke, schluchzte und weinte sehr und trank dazu sehr viel Rheinwein; aber es war niemand anders, als eben der Kellermeister Balthasar, der aus Unser Lieben Frauenkirchhof herabgekommen war, nachdem ihn Matthäus aus dem Schlaf geschellt.

„Nun, alter Balthasar“, rief ihm Jakobus zu, „du hast also als Reitknecht gedient beim Hauptmann Gutkunst und warst sogar Gesandtschaftsschreiber oder Sekretär, ehe du Kellermeister wurdest? Was machte denn der Herr, so den Hahnen im Hirnkasten hatte, für Bedingnisse?“

„O Herr!“ stöhnte der alte Kellermeister aus tiefer Seele, und es war, als ob ihn der ewige Tod auf dem Fagott begleitete, so greulich tönte es aus seiner Brust, „o Herr, fordert nicht von mir, daß ich es sage.“

„Heraus damit“, schrien die Apostel, „was wollte der mit dem Spiritusableiter, der Weingeistschröpfer, was wollte er?“

„Meine Seele.“

„Armer Kerl“, sagte Petrus sehr ernst; „und um was wollte er deine arme Seele?“

„Um Wein“, murmelte er dumpf, und mir war es, als ob eine Stimme ohne Hoffnung spräche.

„Rede deutlicher, Alter, wie hat er es gemacht mit deiner Seele?“ Er schwieg lange; endlich sprach er: „Warum dies erzählen, ihr Herren? Es ist grausig, und ihr versteht doch nicht, was es heißt, eine Seele verlieren.“

„Wohl wahr“, sprach Paulus, „wir sind fröhliche Geister und schlummern im Weine und freuen uns ewiger, ungetrübter Herrlichkeit und Freude; darum kann uns aber auch kein Grauen anwandlen; denn wer hat Macht über uns, daß er uns elend mache oder uns schrecke? Darum erzähle!“

„Aber es sitzt ein Mensch am Tisch, der kann es nicht vertragen“, sprach der Tote, „vor ihm darf ich es nicht sagen.“

„Nurzu, immerzu“, erwiderte ich, an allen Gliedern schauernd, „ich kann eine hinlängliche Dosis Schauerliches ertragen, und was ist es am Ende, als daß Euch der Teufel geholt?“

„Herr, es wäre Euch besser, Ihr betetet“, murmelte der Alte,

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 40–41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_022.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)