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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Welch ein leichtsinniges Volk“, seufzte er, „ich habe sie jetzt soeben gewarnt und die Hölle ihnen recht heiß gemacht, ja sie wagten in keine Ecke mehr zu sehen, aus Furcht, der Leibhaftige möchte daraus hervorgucken, und jetzt lachen sie wieder und machen tolle Streiche, als ob der Versucher nicht immer umherschliche?“

Ich mußte lachen über die Amtsmiene, die sich der Professor gab; „noch nie habe ich das schöne Talent eines Vesperpredigers an Ihnen bemerkt“, sagte ich, „aber Sie setzen mich in Erstaunen durch Ihre kühnen Angriffe auf die böse Welt und auf den Argen selbst. Bilden Sie sich denn wirklich ein, dieser harmlose Natas …“

„Harmlos nennen Sie ihn?“ unterbrach mich der Professor, heftig meine Brust anfassend, „harmlos? Haben Sie denn nicht bemerkt“, flüsterte er leiser, „daß alles bei diesem feinen … Herrn berechneter Plan ist. O, ich kenne meine Leute!“

„Sie setzen mich in Erstaunen, wie meinen Sie denn?“

„Haben Sie nicht bemerkt“, fuhr er eifrig fort, „daß der gebildete Herr Oberforstmeister dort mit Leib und Seele sein ist, weil er ihm fünf Nächte hindurch alles Geld abjagte und den Ausgebeutelten gestern nacht fünfzehnhundert Dukaten gewinnen ließ? Er nennt den abgefeimten Spieler einen Mann von den nobelsten Sentiments und schwört auf Ehre, er müsse über die Hälfte wieder an den Fremden verlieren, sonst habe er keine Ruhe. – Haben Sie ferner nicht bemerkt, wie er den Ökonomierat gekörnt hat?“

„Ich habe wohl gesehen“, antwortete ich, „daß der Ökonomierat, sonst so moros und misanthrop, jetzt ein wenig aufgewacht ist, aber ich habe es dem allgemeinen Einfluß der Gesellschaft zugeschrieben.“

„Behüte. Er läuft schon seit zwanzig Jahren in den Gesellschaften umher und wacht doch nicht auf; auf dem Weg ist er, ein Bruder Lüderlich zu werden; der Esel reist krank im Lande umher, behauptet einen großen Wurm im Leib zu haben und macht allen Leuten das Leben sauer mit seinen exorbitanten Behauptungen, und jetzt? jetzt hat ihn dieser Wundermann erwischt, gibt ihm ein Pülverlein und rät ihm, nicht wie ein anderer vernünftiger [201] Arzt, Diät und Mäßigkeit, sondern er soll seine Jugend, wie er die fünfzig Jahre des alten Wurms nennt, genießen, viel Wein trinken etc., und das et cetera und den Wein benützt er seit vier Tagen ärger als der verlorne Sohn.“

„Und darüber können Sie sich ärgern, Herr Professor? Der Mann ist sich und dem Leben wieder geschenkt –“

„Nicht davon spreche ich“, entgegnete der Eifrige, „der alte Sünder könnte meinetwegen heute noch abfahren, sondern daß er sich dem nächsten besten Charlatan anvertraut und sich also ruinieren muß, ich habe ihn vor acht Jahren in der Kur gehabt, und es besserte sich schon zusehends.“

Der Eifer des guten Professors war mir nun einigermaßen erklärlich, der liebe Brotneid schaute nicht undeutlich heraus.

„Und unsere Damen?“ fuhr er fort, „die sind nun rein toll. Mich dauert nur der arme Trübenau, ich kenne ihn zwar nicht, aber übermorgen soll er hier ankommen, und wie findet er die gnädige Frau? Hat man je gehört, daß eine junge, gebildete Frau in den ersten Jahren einer glücklichen Ehe sich in ein solches Verhältnis mit einem ganz fremden Menschen einläßt und zwar innerhalb fünf Tagen!“

„Wie, die schöne, bleiche Frau dort?“ rief ich aus.

„Die nämliche bleiche“, antwortete er, „vor vier Tagen war sie noch schön rot, wie eine Zentifolie, da begegnet ihr der Interessante auf der Straße, fragt, wohin sie gehe, hört kaum, daß sie rouge fin kaufen wolle (denn solche Toilettengeheimnisse auszuplaudern, heißt bon ton), so bittet und fleht er, sie solle doch kein Rot auflegen, sie habe ein so interessantes je ne sais quois, das zu einem blassen Teint viel besser stehe. Was thut sie? wahrhaftig, sie geht in den nächsten Galanterieladen und sucht weiße Schminke; ich war gerade dort, um ein Pfeifenrohr zu erstehen, da höre ich sie mit ihrer süßen Stimme den rauhhärigen Bären von einem Ladendiener fragen, ob man das Weiß nicht noch etwas ‚ätherischer‘ habe? Hol mich der T…! hat man je so was gehört?“

Ich bedauerte den Professor aufrichtig, denn wenn ich nicht irrte, so suchte er von Anfang die Aufmerksamkeit der schönen

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 200–201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)