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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Seine Kleidung wie seine Sitten schien er von verschiedenen Nationen entlehnt zu haben. Sein Rock mit vielen Knöpfen und Schnüren war polnischen Ursprungs; er war auf russische Weise auf der Brust vier Zoll hoch wattiert, schloß sich spannend über den Hüften an und formierte die Taille so schlank als die einer hübschen Altenburgerin; er hatte ferner enge Reithosen an, weil er aber nicht selbst ritt, so waren solche nur aus dünnem Nanking verfertigt, aus ebendiesem Grund mochten auch die Sporen mehr zur Zierde und zu einem wohltönenden, Aufmerksamkeit erregenden Gang als zum Antreiben eines Pferdes dienen. Ein feiner italienischer Strohhut vollendete das gewählte Kostüm.

Ich sehe es einem gleich bei der Art, wie er den Stuhl nimmt und sich niedersetzt, an, ob er viel in Zirkeln lebte, wo auch die kleinste Bewegung von den Gesetzen des Anstandes und der feinen Sitte geleitet wird; der Stutzer setzte sich passabel, doch bei weitem nicht mit jener feinen Leichtigkeit wie der Franzose, und der Engländer zeigte selbst in seiner nachlässigen, halb sitzenden, halb liegenden Stellung mehr Würde als jener, der sich so gut aufrecht hielt, als es nur immer ein Tanzmeister lehren kann.

Diese Bemerkungen, zu welchen ich vielleicht bei weitem mehr Worte verwendet habe, als es dem Leser dieser Memoiren nötig scheinen möchte, machte ich in einem Augenblick, denn man denke sich nicht, daß der junge Deutsche mir so lange gesessen sei, bis ich ihn gehörig abkonterfeit hatte.

Der Marquis wandte sich sogleich an seinen neuen Nachbar. „Mein Gott, Herr von Garnmacker“, sagte er, „ich möchte verzweifeln; der englische Herr da scheint mich nicht zu verstehen, und ich bin seiner Sprache zu wenig mächtig, um die Konversation mit gehöriger Lebhaftigkeit zu führen; denn ich bitte Sie, mein Herr, gibt es etwas Langweiligeres, als wenn drei schöne junge Leute bei einander sitzen und keiner den andern versteht?“

„Auf Ehre, Sie haben recht“, antwortete der Stutzer in besserem Französisch, als ich ihm zugetraut hätte; „man kann sich zur Not denken, daß ein Türke mit einem Spanier Billard spielt, aber ich sehe nicht ab, wie wir unter diesen Umständen mit dem Herrn plaudern können.“

[315] „J’ai bien compris, Messieurs“, sagte der Lord ganz ruhig neben seiner Zigarre vorbei und nahm wieder einigen Rum zu sich.

„Ist’s möglich, Mylord?“ rief der Franzose vergnügt, „das ist sehr gut, daß wir uns verstehen können! Markeur, bringen Sie mir Zuckerwasser! O, das ist vortrefflich, daß wir uns verstehen, welch’ schöne Sache ist es doch um die Mitteilung, selbst an einem Ort wie dieser hier.“

„Wahrhaftig, Sie haben recht, Bester“, gab der Deutsche zu; „aber wollen wir nicht zusammen ein wenig umherschlendern, um die schöne Welt zu mustern? Ich nenne Ihnen schöne Damen von Berlin, Wien, von allen möglichen Städten meines Vaterlandes, die ich bereist habe; ich hatte oben große Bekanntschaften und Konnexionen und darf hoffen, an diesem verfl… Ort manche zu treffen, die ich zu kennen das Glück hatte; Mylord nennt uns die Schönen von London, und Sie, teuerster Marquis, können uns hier Paris im kleinen zeigen.“

„Gott soll mich behüten!“ entgegnete eifrig der Franzose, indem er nach der Uhr sah, „jetzt, um diese frühe Stunde wollen Sie die schöne Welt mustern?

Meinen Sie, mein Herr, ich habe in diesem détestable purgatoire so sehr allen guten Ton verlernt, daß ich jetzt auf die Promenade gehen sollte?“

„Nun, nun“, antwortete der Stutzer, „ich meine nur, im Fall wir nichts Besseres zu thun wüßten. Sind wir denn nicht hier wie die drei Männer im Feuerofen? Sollen wir wohl ein Loblied singen wie jene?[WS 1] Doch wenn es Ihnen gefällig ist, mein Herr, uns einen Zeitvertreib vorzuschlagen, so bleibe ich gerne hier.“

„Mein Gott“, entgegnete der Incroyable, „ist dies nicht ein so anständiger Café, als Sie in ganz Deutschland keinen haben? Und fehlt es uns an Unterhaltung? Können wir nicht plaudern, soviel wir wollen? Sagen Sie selbst, Mylord, ist es nicht ein gutes Haus, kann man diesen Salon besser wünschen? Nein! Monsieur le diable hat Geschmack in solchen Dingen, das muß man ihm lassen.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Daniel 3.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 314–315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_159.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)