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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Une confortable maison!“ murmelte Mylord und winkte dem Franzosen Beifall zu. „Et ce salon confortable.“

„Gute Tafel, mein Herr?“ fragte der Marquis, „nun die wird auch da sein, ich denke mir, man speist wohl nach der Karte? Aber, meine Herren, was sagen Sie dazu, wenn wir uns zur Unterhaltung gegenseitig etwas aus unserem Leben erzählen wollten? Ich höre so gerne interessante Abenteuer, und Baron Garnmacker hat deren wohl so viele erlebt als Mylord?“

God damn! das war ein vernünftiger Einfall, mein Herr“, sagte der Engländer, indem er mit der Reitgerte auf den Tisch schlug, die Füße von dem Stuhl herabzog und sich mit vieler Würde in dem Fauteuil zurechtsetzte; „noch ein Glas Rum, Markeur!“

„Ich stimme bei“, rief der Deutsche, „und mache Ihnen über Ihren glücklichen Gedanken mein Kompliment, Herr von Lasulot. – Eine Flasche Rheinwein, Kellner! – Wer soll beginnen, zu erzählen?“

„Ich denke, wir lassen dies das Los entscheiden“, antwortete Lord Fotherhill, „und ich wette fünf Pfund, der Marquis muß beginnen.“

„Angenommen, mein Herr“, sagte mit angenehmem Lächeln der Franzose; „machen Sie die Lose, Herr Baron, und lassen Sie uns ziehen, Nummer Zwei soll beginnen.“

Baron Garnmacher stand auf und machte die Lose zurecht, ließ ziehen, und die zweite Nummer fiel auf ihn selbst.

Ich sah den Franzosen dem Lord einen bedeutenden Wink zuwerfen, indem er das linke Auge zugedrückt, mit dem rechten auf den Deutschen hinüberdeutete; ich übersetzte mir diesen Wink so: „Geben Sie einmal acht, Mylord, was wohl unser ehrlicher Deutscher vorbringen mag. Denn wir beide sind schon durch den Rang unserer Nationen weit über ihn erhaben.“

Baron von Garnmacher schien aber den Wink nicht zu beachten; mit großer Selbstgefälligkeit trank er ein Glas seines Rheinweins, wischte in der Eile den Stutzbart mit dem Rockärmel ab und begann:


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Neunzehntes Kapitel.
Geschichte des deutschen Stutzers.

„Als mein Großvater, der kaiserlich-königlich –“

„Ich bitte Sie, mein Herr“, unterbrach ihn der Incroyable, „schenken Sie uns den Großpapa und fangen Sie gleich bei Ihrem Vater an; was war er?“

„Nun ja, wenn es Ihnen so lieber ist, aber ich hätte mich gerne bei dem Glanz unserer Familie länger verweilt; mein Vater lebte in Dresden auf einem ziemlich großen Fuß –“

„Was war er denn, der Herr Papa? Sie verzeihen, wenn ich etwas zu neugierig erscheine, aber zu einer Geschichte gehört Genauigkeit.“

„Mein Vater“, fuhr der Stutzer etwas mißmutig fort, „war Kleiderfabrikant en gros –“

„Wie“, fragte der Lord, „was ist Kleiderfabrikant? Kann man in Deutschland Kleider in Fabriken machen?“

„Hol’ mich der Teufel, wie er schon gethan!“ rief der Stutzer unwillig und stieß das Glas auf den Tisch; „das ist nicht die Art, wie man seine Biographie erzählen kann, wenn man alle Augenblicke von kritischen Untersuchungen unterbrochen wird; mein Vater hatte ein Haus am Altmarkt, darin hatte er ein Atelier und hielt Arbeiter, welche Kleider für die Leute machten!“

Mon Dieu, also war es, was wir Tailleur nennen? ein Schneider?“

„Nun, in Gottes Namen! nennen Sie es, wie Sie wollen, kurz, er hatte die Welt gesehen, machte ein Haus, und wenn er auch nicht den Adel und die ersten Bürger in seinen Soirées sah, so war doch ein gewisser guter Ton, ein gewisser Anstand, ein gewisses, ich weiß nicht was, kurz, es war ein ganz anständiger Mann, mein Papa.“

Mich selbst erfaßte der Lachkitzel, als ich den garçon tailleur so perorieren hörte, doch faßte ich mich, um den Markeur nicht aus der Rolle fallen zu lassen. Der Marquis aber hatte sich zurückgelehnt und wollte sich ausschütten vor Lachen, der Engländer sah den Stutzer forschend an, unterdrückte ein Lächeln, das seiner

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 316–317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_160.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)