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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Ich kenne diese Leutchen, sie sind Raubritter und Korsaren, die jeden berühmten Prozeß, der ihnen in die Hände fällt, für gute Prise erklären, und wenn sie ihn fest haben in den Krallen, so lange deuteln und drehen, bis sie ihn dahin entscheiden können, wo er ihnen am meisten Ruhm nebst etzlichem Golde einträgt. Was war bei Euch von beiden zu erheben? Ihr, ein armseliger Doktor der Philosophie und Magister der brotlosen Künste, was seid Ihr gegen einen persischen Geheimen Hofrat? Denket also, die Sache sei ganz natürlich zugegangen, und grämet Euch nicht darüber. Was den persischen Geheimen Hofrat betrifft, der meine Rolle übernommen hat, so will ich bei Gelegenheit ein Wort mit ihm sprechen.

Hier lege ich Euch noch ein kleines Manuskriptchen bei, ich habe es in den letzten Pfingstfeiertagen in Frankfurt aufgeschrieben, es ist im ganzen ein Scherz und hat nicht viel zu bedeuten; doch schaltet Ihr es im zweiten Teile ein, es gibt vielleicht doch Leute, die sich dabei freundschaftlich meiner erinnern.

Gehabt Euch wohl; in der Hoffnung Eure persönliche Bekanntschaft bald zu erneuern, bin ich

Euer wohlaffektionierter Freund,
Der Satan.


Man kann sich leicht denken, wie sehr mich dieser Brief freute. Ich lief sogleich damit zu dem wackern Mann, der meine Sache geführt hatte, ich zeigte ihm den Brief, ich erklärte ihm, appellieren zu wollen an ein höheres Gericht und den Originalbrief beizulegen.

Er zuckte die Achseln und sprach: „Lieber, sie wohnen zusammen in einer Hausmiete, die Kriminalen; ob Ihr um eine Treppe höher steigen wollet, aus dem Entresol in die Beletage zu den Vornehmeren, das ist einerlei, Ihr fallet nur um so tiefer, wenn sie Euch durchfallen lassen. Doch an mir soll es nicht fehlen.“

So sprach er und focht für mich mit erneuerten Kräften; doch – was half es; sie stimmten ab, erklärten den Persischen für den echten, alleinigen Teufel, der allein das Recht habe, Teufeleien zu schreiben und – der Prozeß ging auch in der Beletage verloren.

[341] Da faßte mich ein glühender Grimm; ich beschloß, und wenn es mich den Kopf kosten sollte, doch den zweiten Teil herauszugeben, ich nahm das Manuskript unter den Arm, raffte mich auf und – – erwachte.

Freundlich strahlte die Frühlingssonne in mein enges Stübchen, die Lerchen sangen vor dem Fenster und die Blütenzweige winkten herein, mich aufzumachen und den Morgen zu begrüßen.

Verschwunden war der böse Traum von Prozessen, Justizräten, Klein-Justheim und alles, was mir Gram und Ärger bereitete, verschwunden, spurlos verschwunden.

Ich sprang auf von meinem Lager, ich erinnerte mich, den Abend zuvor bei einigen Gläsern guten Weins über einen ähnlichen Prozeß mit Freunden gesprochen zu haben; da war mir nun im Traume alles so erschienen, als hätte ich selbst den Prozeß gehabt, als wäre ich selbst verurteilt worden von Kriminalrichtern und Klein-Justheimer Schöppen.

Ich lächelte über mich selbst! Wie pries ich mich glücklich, in einem Lande zu wohnen, wo dergleichen juridische Exzesse gar nicht vorkämen; wo die Justiz sich nicht in Dinge mischt, die ihr fremd sind, wo es keine Wackerbärte gibt, die einen solchen Fund für gute Prise erklären, das Recht zum Gliedermann machen und drauf los hantieren und drehen, ob es biege oder breche; wo man Erzeugnisse des Geistes nicht als Ware handhabt, und Satire versteht und zu würdigen weiß, wo man weder auf den Titel eines persischen Geheimen Hofrats, noch auf irgend dergleichen Rücksicht nimmt.

So dachte ich, pries mich glücklich und verlachte meinen komischen Prozeßtraum.

Doch wie staunte ich, als ich hintrat zu meinem Arbeitstisch! Nein, es war keine Täuschung, da lag er ja, der Brief des Satans, wie ich ihn im Traum gelesen, da lag das Manuskript, das er mir im Briefe verheißen. Ich traute meinen Sinnen kaum, ich las, ich las wieder, und immer wurde mir der Zusammenhang unbegreiflicher.

Doch ich konnte ja nicht anders, ich mußte seinen Wink befolgen, und seinen „Besuch in Frankfurt“ dem zweiten Teile einverleiben.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 340–341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_172.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)