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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Kaffeehaus, wo sich die deutschen Künstler zu versammeln pflegen. Hatte schon früher dieser Mensch und seine Erzählung meine Teilnahme erregt, so war ich jetzt, da ich Zeuge eines flüchtigen, aber so bedeutungsvollen Zusammentreffens gewesen war, um so neugieriger, zu erfahren, in welchem Verhältnis der Berliner zu dieser Dame stehe; daß es kein glückliches Verhältnis, kein gewöhnliches Liebesverständnis war, glaubte ich in ihren Mienen, in ihrem sonderbaren Benehmen gelesen zu haben.

Man wird sich erinnern, daß ich als hoffnungsvoller Zögling des ewigen Juden, als Herr von Stobelberg die Bekanntschaft dieses Mannes machte. Daher trat ich in dieser Rolle in das Café. Der junge Herr saß in einem Fenster und las in einem Brief. Ich wartete eine Weile, ob er wohl bald ausgelesen haben werde, um ihn dann anzureden, aber er las immer. Ich trat von der Seite hinter ihn, um nach dem Schluß des riesengroßen Briefes zu blicken – es waren wenige Zeilen von einer Frauenhand, die er, wie es schien, gedankenlos anstarrte.

„Habe ich die Ehre, Herrn von S. vor mir zu sehen?“ fragte ich in deutscher Sprache, indem ich vor ihn trat.

„Der bin ich“, antwortete er, indem er den düsteren Blick von dem Brief auf mich schlug, und mein Kompliment durch ein leichtes Neigen des Hauptes erwiderte.

„Sie scheinen mich nicht mehr zu kennen; und doch war ich so glücklich, einmal einen Abend im Hause Ihrer Tante in Berlin zu genießen, den vorzüglich Ihre Unterhaltung, Ihre interessanten Mitteilungen mir unvergeßlich machen.“

„Im Hause meiner Tante?“ fragte er, aufmerksamer werdend. „Wie, war es nicht ein höchst ennuyanter Thee? Waren nicht einige männliche Weiber und einige zartweibliche Herren zugegen? Ich erinnere mich, ich mußte etwas erzählen. Doch Ihr Name, mein Lieber, ist mir leider entfallen.“

„Baron von Stobelberg; ich reiste damals mit –“

„Ah – mit einem ganz sonderbaren Kauz von Hofmeister, jetzt erinnere ich mich ganz, er war so unglücklich, allen Damen, ohne es zu wollen, Sottisen zu sagen, und überschnappte endlich, nämlich mit dem Stuhl?“

[347] „So ist’s; wollten Sie erlauben, meinen Kaffee hier zu trinken? Ich bin noch so fremd hier, ich kenne keine Seele. Sie sind wohl schon lange hier bekannt?“

Ein melancholisches Lächeln zog um seinen Mund. „O ja, bin schon lange hier bekannt“, antwortete er düster. „Ich war früher in Geschäften hier, jetzt zu – zu meiner Erholung.“

„Sie erinnern mich da auf einmal wieder an den Abend bei Ihrer Tante, mein Hofmeister brachte mich damals um einen köstlichen Genuß. Sie erzählten uns ein kleines Abenteuer, das Sie mit einer Deutschen in Rom gehabt. Ihre Erzählung war auf dem Punkte, eine Wendung zu nehmen, die uns über vieles, namentlich über Ihre sonderbare Verwechslung mit einem Ebenbilde aufgeklärt hätte, da zerstörte mein Mentor durch seinen Fall meine schöne Hoffnung, ich war genötigt, mit ihm den Salon zu verlassen und plage mich seitdem mit allerlei Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten, wie es Ihnen möchte ergangen sein? Ob Sie sich mit Ihrem Ebenbilde geschlagen haben? Ob Sie auch ferner der schönen Luise sich nahen konnten, ob nicht endlich ein Liebesverhältnis zwischen Ihnen entstanden? Kurz, ich kann Sie versichern, es peinigte mich tagelang, die tollsten Konjekturen erfand ich, aber nie wollten sie passen.“

Der junge Mann war während meiner Reden nachdenklich geworden; es schien etwas darin zu liegen, das ihm nicht ganz recht war; vielleicht ahnete er meine unbezwingliche Neugierde nach seiner Aventüre, er blickte mich scharf an, aber er wich in seiner Antwort aus.

„Ich erinnere mich“, sagte er, „daß wir damals alle bedauerten, Ihre Gesellschaft entbehren zu müssen. Sie waren uns allen wert geworden, und die Damen behaupteten, Sie haben etwas Eigenes, Anziehendes, das man nicht recht bezeichnen könne, Sie haben einen höchst pikanten Charakter. Nun, Sie werden in der Zeit diese Damen entschädigt haben; wann waren Sie das letzte Mal bei meiner Tante?“

Ich sah ihn staunend an; „ich hatte nie die Ehre, bei Ihrer Tante gesehen zu werden, als an jenem Abend.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 346–347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_175.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)