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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

zu können. Signora, sie hätte sich vielleicht gekreuzt, hätte sie gewußt, daß ein Ketzer vor ihr stehe, Signora empfahl mich der Gnade der heiligen Jungfrau, und Luise reichte mir traulich die Hand zum Scheiden. Ich fragte sie noch, wie der Herr heiße, mit welchem ich das Glück gehabt habe, verwechselt zu werden. Sie errötete und sagte: ‚Er will zwar hier nicht bekannt sein und so zurückgezogen als möglich leben, doch warum sollte ich Ihnen seinen Namen verhehlen? Ich möchte so gerne, daß Sie Freunde würden. Er heißt – – – – und wohnt – – – –‘“

So, „etwas breit nach Art der lieben Jugend“, hatte mir der junge Mann den weiteren Verlauf seines Abenteuers erzählt, ich hörte ihm gerne zu, obgleich nichts peinlicher für mich ist, als eine lamentable Liebesgeschichte recht lang und gehörig breit erzählen zu hören; aber interessant war mir dabei die Art, wie er mir erzählte. Sein ausdrucksvolles Auge schien die Glut seiner Gefühle widerzustrahlen, seine Züge nahmen den Charakter düsterer Wehmut an, wenn er sich unglücklich fühlte, und ein angenehmes Lächeln erheiterte sie, wenn er mir die Reize der jungen Dame zu beschreiben suchte. Plötzlich, als er mir eben erzählte, wie er das Haus der Signora verlassen habe, drückte er meinen Arm fester und brach in einen kleinen Fluch aus. „So muß der Teufel diesen Pfaffen doch überall haben“, rief er und wandte sich unmutig um. Ich war erstaunt, welchen Pfaffen sollte ich denn überall haben? Ich fragte ihn, was ihn so aufbringen könne.

„Sehen Sie nicht hin, sonst müssen wir grüßen“, gab er mir zur Antwort, „ich kann ihn nicht ansehen, den Jesuiten.“

Ich stellte mich, als befolge ich treulich seinen Befehl, doch konnte ich nicht umhin, einen Seitenblick in die Straße zu werfen, und sah wirklich ein höchst ergötzliches Schauspiel. Die Straße herauf kam ein hoher Prälat der Kirche, der Kardinal Rocco, ein Mann, der schon längst als einer der zweiten Klasse mit dem Prädikat „gut“ auf meinen Tafeln verzeichnet ist. Eine große majestätische Gestalt voll stolzer Würde; sein weißes Haar, von einem einfachen roten Käppchen bedeckt, stach sonderbar ab gegen ein Gesicht, das man eigentlich reich nennen könnte. Gewölbte Brauen, große Augen, eine Adlernase, die Unterlippe [357] etwas übermütig gezogen, das Kinn und die Wangen voll und kräftig. Über das rollende Untergewand trug er einen Talar, dessen eines Ende er in malerischen Falten über den Arm gelegt hatte; das andere Ende hielt in einiger Entfernung hinter ihm herschleichend sein Diener, ebenfalls ein Mönch, ein dürres bleiches Geschöpf, dessen tückische Augen nach allen Seiten spähten, ob seine Eminenz von den Gläubigen ehrfurchtsvoll, wie es sich gebührt, begrüßt werden.

Der Gang des Kardinals war der Gang eines Siegers, und eine solche Erscheinung in diesen Straßen erinnerte nur zu leicht an die Senatoren der „ewigen Stadt.“

„Sehen Sie, wie er hingeht, dieser Pharisäer“, flüsterte der junge Mann mit den Zähnen knirschend. „Sehen Sie, wie der Pöbel sich zum Handkuß drängt, mit welcher Würde, mit welcher Grazie er seinen Segen erteilt.

Theaterpossen! wenn diese Leute wüßten, was ich von ihm weiß, sie würden diesem Pharisäer, diesem Verfälscher des Gesetzes die Insignien seiner Würde vom Leibe reißen, oder sie wären wert, von einem Türken beherrscht zu werden.“

„Was bringt Sie so auf! verehrter Freund? Wer ist dieser Ehrenmann? Was hat er Ihnen zu leid gethan? Hängt er mit Ihren Abenteuern zusammen?“ Ich mußte lange fragen, bis er mich hörte, denn er schaute mit durchbohrenden Blicken der Eminenz nach und murmelte Verwünschungen wie ein Zauberer.

„Ob ich ihn kenne? Ob er mir etwas zu leide gethan? O! dieser Mensch hat ein Leben vergiftet, ein Herz zu Boden getreten, das – doch Sie werden mehr von ihm hören; es ist der Kardinal Rocco, der Satan ist nicht schwärzer als er; mit seinem roten Hut deckt er alle Sünden zu, aber trotzdem, daß er geweiht ist, wird ihn dennoch der Teufel holen!“

„Da hat es gute Wege“, dachte ich; „Nr. 2, gute Sorte“; doch was konnte dieser Berliner gegen Rocco haben; unmöglich konnte ich glauben, daß sein Protestantismus so tief gehe, daß er jeden, der violette Strümpfe trug, in die Hölle wünschen mußte. Er hatte sich wieder gesammelt: „Vergeben Sie diese Hitze, Sie werden mir einst recht geben, so zu urteilen, wenn ich Sie erst

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 356–357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_180.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)