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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Ha! und jetzt setzten Sie wohl alle Segel auf, Freundchen“, fragte ich; „jetzt machten Sie wohl Jagd auf die schöne Galeere Luise?“

„Ja und nein“, antwortete er trübe; „sie schien meine Liebe zu übersehen, nicht zu achten, aber bald bemerkte ich, daß sie ängstlicher wurde in meiner Nähe, es schmerzte sie, daß mir ihre Freundschaft nicht genügen wolle. Und jener Elende, sei es aus Bosheit oder Leichtsinn, zog sich nicht von ihr zurück, ich vermute es sogar, er hat sie vor mir gewarnt. So standen die Sachen, als die Zeit, die ich in Rom zubringen sollte, bald zu Ende ging. Im Kabinett des Gesandten arbeitete man schon an Memoiren, die man mir nach Berlin mitgeben wollte, man wunderte sich, daß ich noch keine Abschiedsbesuche mache, – und ich, ich lebte in dumpfem Hinbrüten, ich sah nicht ein, wie ich dieser Reise entfliehen konnte, und dennoch hielt ich es nicht für möglich, Luisen zu verlassen, jetzt, da ihr vielleicht bald der schrecklichste Schlag bevorstand. Oft war ich auf dem Punkt, ihr alles, alles zu entdecken, aber wie war es mir möglich, ihre himmlische Ruhe zu zerstören, das Herz zu brechen, das ich so gerne glücklich gewußt hätte?

Da stürzte eines Morgens der Kapitän West in mein Zimmer; er war bleich, verstört, es dauerte eine lange Zeit, bis er sich fassen und sprechen konnte. ‚Jetzt ist alles aus‘, rief er, ‚sie stirbt, sie muß sterben, dieser Kummer wird sie zerschmettern!‘ Er gestand, daß Donna Ines oder der Kardinal Rocco seine Liebe zu Luisen entdeckt hätten, ihr schrieben sie sein Zögern, sein Schwanken zu, und der Kardinal hatte geschworen, er wolle an diesem Tage zu dem deutschen Fräulein gehen, und sie zur Rede stellen, wie sie es wagen könne, einen Mann, der schon so gut als verehelicht sei, von seinen Pflichten zurückzuhalten.

Ich kannte diesen Priester und seine tückische Arglist; ich erkannte, daß die Geliebte verloren sei. Ich weiß Ihnen von dieser Stunde, von diesem Tag wenig mehr zu erzählen. Ich weiß nur, daß ich den Kapitän in kalter Wut zur Thüre hinaus schob, mich schnell in die Kleider warf und wie ein gejagtes Wild durch die Straßen dem Hause der Signora Campoco zulief. Als ich unten [381] an dieser Straße anlangte, sah ich einen Kardinal sich demselben Hause nähern. Er schritt stolz einher, Frater Piccolo trug ihm den Mantel, es war kein Zweifel, es war Rocco. Ich setzte meine letzten Kräfte daran, ich rannte wie ein Wahnsinniger auf ihn zu, doch – ich kam eben an, als mir Piccolo mit teuflischem Lächeln die Thüre vor der Nase zuwarf.

Eine Art von Instinkt trieb mich, all diesem Jammer zu entfliehen. Ich ging, wie ich war, zu dem Gesandten und sagte ihm, daß ich noch in dieser Stunde abreisen werde. Er war es zufrieden, gab mir seine Aufträge, und bald hatte ich die heilige, – unglückselige Stadt im Rücken. Erst als ich nach langer Fahrt zu mir selbst kam, als meine Vorstellungen sich wieder ordneten und deutlicher wurden, erst dann tadelte ich meine Feigheit, die mich zu dieser übereilten Flucht verführte. Ich tadelte meine ganze Handlungsweise, ich klagte mich an, die Unglückliche auf diesen Schlag nicht vorbereitet zu haben; – doch es war zu spät, und wenn ich mir meine Gefühle, meine ganze Lage zurückrief, ach, da schien es so verzeihlich, die Geliebte verschont zu haben! So kam ich nach Berlin, in dieser Stimmung trafen Sie mich dort, und ein Teil dieser Geschichte war es, den ich damals im Hause meiner Tante erzählt habe.“

Der junge Mann hatte geendet; seine Züge hatten nach und nach jene Trauer, jene Wehmut angenommen, die ich in seinem Wesen, als ich ihn in Berlin sah, zu bemerken glaubte; er war ganz derselbe, der er an jenem Abend war, und die Worte seiner Tante, er sehe seit seiner Zurückkunft so geheimnisvoll aus, kamen mir wieder in den Sinn und ließen mich den richtigen Blick dieser Dame bewundern. An seiner ganzen Historie schienen mir übrigens nur zwei Dinge auffallend. Unglückliche Mädchen wie das Fräulein, abenteuernde Damen wie Ines, intrigante Priester wie Kardinal Rocco hatte ich auf der Welt schon viele gesehen. Aber die beiden Männer waren mir als Menschenkenner etwas rätselhaft.

Der Kapitän hatte allerdings schon einen bedeutenden Grad in meinem Reglement erlangt, aber unbegreiflich war es mir, wie sich dieser Mann solange auf einer Stufe halten konnte, da

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 380–381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_192.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)