Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 200.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

allen ausgesprochen, daß er das Fräulein wiedersehen wolle; und so war es.

„Es ist mein voller Ernst, Herr von S.“, sagte er, „ich sehe ein, daß ich mich diesen unwürdigen Verbindungen entreißen muß. Können Sie mir Gelegenheit geben, das Fräulein wiederzusehen und ihre Verzeihung zu erbitten?“

„Ich weiß nicht, wie Fräulein von Palden darüber denkt“, antwortete der junge Mann etwas verstimmt und finster; „ich glaube nicht, daß nach diesen Vorgängen –“

„O! ich habe die beste Hoffnung“, rief jener, „ich kenne Luisens gutes Herz und kann nicht glauben, daß sie aufgehört habe, mich zu lieben. Hören Sie einen Vorschlag. Signora Campoco hat einen Garten an der Tiber; bitten Sie das Fräulein, mit ihrer Tante heute abend dorthin zu kommen. Ich will sie ja nicht allein sehen, Sie alle können zugegen sein; ich will ja nichts, als Vergebung lesen in ihren Augen, ein Wort von ihr soll mir genug sein, um mich mit mir selbst und mit dem Himmel zu versöhnen. Ach, wie schmerzlich fühle ich meine Verirrungen!“

„Gut, ich will es sagen“, erwiderte der Berliner, indem er mit Mühe nach Fassung rang. „Soll ich Ihnen Antwort bringen?“

„Ist nicht nötig; wenn Sie keine Antwort bringen, bin ich um sechs Uhr als reuiger Sünder in dem Garten an der Tiber.“


*


Ich gestehe, der Berliner hatte ein sonderbares Geschick. Das Verhängnis zog ihn in diese Verhältnisse; seine Gestalt, sein Gesicht, zufällig dem Kapitän West sehr ähnlich, bringt ihm Glück und Unglück; es zieht ihn in die Nähe des Mädchens, er lernt ihr Schicksal kennen, er sieht sie leiden, er leidet mit ihr; die Zeit, die alle Wunden heilt, bewirkt endlich, daß sie den Kapitän vielleicht nicht mehr so sehnlich zurückwünscht; sie will nur, daß er jenen Schritt nicht thue, den sie für einen thörichten hält, sich selbst unbewußt, gibt sie dem armen S. Hoffnungen; er glaubt, sie errungen zu haben durch die vielen Bemühungen um ihre Wahl, und jetzt muß er den gefährlichen Nebenbuhler, einen Mann, den er verachtet, zu ihr zurückführen!“

[397] Ich war begierig auf diesen Abend; der Berliner hatte mir gesagt, daß sie einwillige, ihn, von Signora Campoco begleitet, zu sehen. Sie hatte ihn eingeladen, zugegen zu sein, und er bat mich, ihn zu begleiten, weil er diese Szene allein nicht mit ansehen könne. Als ich seiner Wohnung zuging, trat mir auf einmal Frater Piccolo in den Weg mit der Frage, wo er wohl den Kapitän finden könnte?

Ich forschte ihn aus, zu welchem Zweck er wohl den Kapitän suche, und er sagte mir ohne Umschweife, daß er ihm von dem Kardinal einen Schuldschein auf fünftausend Scudi zu überreichen habe, die jener zwölf Stunden nach Sicht bezahlen müsse. „Wertester Frater Piccolo“, erwiderte ich ihm, „das Sicherste ist, Ihr bemühet Euch nach sechs Uhr in den Garten der Signora Campoco, welcher an der Tiber gelegen; dort werdet Ihr ihn finden, dafür stehe ich Euch.“ Er dankte und ging weiter. Daß er diese Nachricht dem Kardinal, vielleicht auch Donna Ines mitteilen werde, glaubte ich voraussetzen zu dürfen. „Fünftausend Scudi, zwölf Stunden nach Sicht!“ sagte ich zu mir, „ich will doch sehen, wie er sich heraushilft!“

Den armen Berliner traf ich sehr niedergeschlagen. Er schien zu fühlen, daß seine Hoffnungen auf ewig zerstört seien; doch nicht nur dies Gefühl war es, was ihn unglücklich machte; er fürchtete, Luise werde nicht auf Dauer glücklich werden. „Dieser West!“ rief er; „ist es nicht immer wieder Leichtsinn, was ihn zu uns, zu ihr zurückführt! Wie leicht ist es möglich, wenn einmal die Reue über ihn kommt, die Spanierin so unglücklich gemacht zu haben, wie leicht ist es möglich, daß er auch Luisen wieder verläßt.“

Ja, dachte ich, und wenn erst das Wechselchen anlangt und er nicht zahlen kann, und wenn ihn Donna Ines mit den funkelnden Augen sucht und bei der Fremden findet, und wenn erst der Kardinal seine Künste anwendet. Die Schule der Verzweiflung hat er noch nicht ganz durchgemacht. Aber auch das Fräulein, hoffe ich, wird jetzt auftauen und ihre Hilfe zu kleinen Teufeleien und Höllenkünsten nehmen, und der gute Berliner soll wohl auch bekannter mit mir werden müssen!

Wir gingen hinaus an die Tiber zum verhängnisvollen Garten

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 396–397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_200.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)