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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

authentischen Nachrichten kommen zu lassen, um seinem Glücke aufzuhelfen. Ist denn auf der Erde nicht alles um Geld feil? Und wenn Rothschild mit Geld etwas machen kann, warum sollte es ein anderer nicht auch können, wenn sein Geld ebensogut ist, als das des großen Makkabäers?

Zwar ein solcher Sperling macht keinen Sommer; eine solche Handelsseele mehr oder weniger mein, kann mir nicht nützen; doch die Nüancen ergötzen mich, jenes bunte Farbenspiel, bis ein solcher Hecht ins Netz geht, und darum beschloß ich, ihm zu nützen, ihn zu fangen.

„Ich bin“, sagte ich zu ihm, „ich bin selbst einigermaßen Papierspekulant, daher werden Sie mir vergeben, wenn ich Ihre bisherige Verfahrungsart etwas sonderbar finde.“

„Wie meinen Sie das?“ fragte er verwundert. „Als ich in Dessau war, ließ ich mir nicht jeden Posttag den Kurszettel schicken? Und hier, gehe ich nicht jeden Tag in die Börsenhalle? Gehe ich nicht jeden Tag in die neue Judenstraße, um das Neueste zu erfragen?“

„Das ist es nicht, was ich meine, ein Genie wie Sie, Herr Zwerner (er verbeugte sich lächelnd), das heißt, ein Mann mit diesen Mitteln, der etwas wagen will, muß selbst eingreifen in den Lauf der Zeiten.“

„Aber mein Gott“, rief er verwunderungsvoll, „das kann ja jetzt niemand als der Rothschild, der Reis-Efendi und der Herr von Metternich; wie meinen Sie denn?“

„Über Ihr Glück, Sie geben es selbst zu, kann ein einziger Tag, eine einzige Stunde entscheiden; zum Beispiel, wenn die Pforte das Ultimatum verwirft, die Nachricht schnell hieher kömmt, kann eine Krisis sich bilden, die Sie stürzt. Ebenso im Gegenteil, können Sie durch eine solche Nachricht sehr gewinnen, weil dann Ihre Papiere steigen?“

„Gewiß, gewiß“, seufzete er; „aber ich sehe nur noch nicht recht ein –“

„Nur Geduld; wer gibt nun diese Nachricht, wer bekommt sie? Das Ministerium in Wien oder ein guter Freund, der sehr nahe hin gehorcht und dem großen Portier ein Stück Geld in [425] die Hand gedrückt hat, läßt noch in der Nacht einen Kurier aufsitzen; der reitet und fährt und fliegt nach Frankfurt und bringt die Depesche, wem?“

„Ach, dem Glücklichsten, dem Vornehmsten!“

„Nein, dem, der am besten zahlt. Einen solchen Kurier kann ich Ihnen um Geld auch verschaffen, ich habe Konnexionen in Wien. Man kann dort mancherlei erfahren, ohne gerade der österreichische Beobachter zu sein; kurz, wir lassen einen Brief mit der Nachricht einer wichtigen Krisis, eines bedeutenden Vorfalls, kommen –“

„Etwa, der Sultan habe einen Schlag bekommen, oder der Kaiser von Rußland sei plötzlich –“

„Nichts davon, das ist zu wahrscheinlich, als daß es die Leute glauben; Unwahrscheinliches, Überraschendes muß auf der Börse wirken.“

„Also, etwa der Fürst von M. sei ein Türke geworden; habe dem Islam geschworen?“

„Ich sage Ihnen ja, nichts Wahrscheinliches; nein, geradezu, die Pforte habe das Ultimatum angenommen. Bekommen Sie nun diese Nachricht mit allem möglichen geheimnisvollen Wesen, lassen Sie den Kurier sogleich ein paar Stationen weiterreisen, lassen Sie den Brief einige Geheimniskrämer lesen, gehen kurze Zeit darauf in die Börsenhalle, so kann es nicht fehlen, Sie sind ein wichtiger Mann und setzen Ihre Papiere mit Gewinn ab.“

„Aber, lieber Herr“, erwiderte der Kaufmann von Dessau kläglich, „das wäre ja denn doch erlogen, wie man zu sagen pflegt, eine Sünde für einen rechtlichen Mann, bedenken Sie, ein Kaufmann muß im Geruch von Ehrlichkeit stehen, will er Kredit haben.“

„Ehrlichkeit, Possen! Geld, Geld, das ist es, wornach er riechen muß, und nicht nach Ehrlichkeit. Und was nennen Sie am Ende Ehrlichkeit? Ob Sie Ihre Kunden bei einem Pfunde Kaffee betrügen, ob Sie einem alten Weib ihr Lot Schnupftabak zu leicht wiegen, oder ob Sie dasselbe Experiment im großen vornehmen, das ist am Ende dasselbe.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 424–425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_214.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)