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Nicht mehr so fröhlich als in frühern Tagen und dennoch glücklicher legte Ida das Lockenköpfchen auf die weichen Kissen. Es war ihr so bange, so warm; mit einem Ruck war der seidene Plumeau[WS 1] am Fußende des Bettes, und auch die dünne Seidenhülle, die jetzt noch übrig war, mußte immer weiter hinab geschoben werden, daß die wogende, entfesselte Schwanenbrust Luft bekam.

Aber wie, ein Geräusch von der Thüre her? Die Thüre geht auf, im matten Schimmer des Nachtlichtes erkennt sie Martiniz’ blendendes Gesicht; sein dunkles, wehmütiges Auge fesselt sie so, daß sie kein Glied zu rühren vermag, sie kann die Decke nicht weiter heraufziehen, sie kann den Marmorbusen nicht vor seinem Feuerblick verhüllen; sie will zürnen über den sonderbaren Besuch, aber die Stimme versagt ihr. Aufgelöst in jungfräuliche Scham und Sehnsucht drückt sie die Augen zu; er naht, weiche Flötentöne erwachen und wogen um ihr Ohr, er kniet nieder an ihrem bräutlichen Lager, „der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme“, flüsterte er in ihr Ohr; er beugt das gramvolle, wehmütige Gesicht über sie hin, heiße Thränen stürzen aus seinem glühenden Auge herab auf ihre Wangen, er wölbt den würzigen Mund – er will sie kü–

Sie erwachte, sie fühlte, daß ihre eigenen heftigströmenden Thränen sie aus dem schönen Traume erweckt hatten.



Die Beichte.

Am andern Morgen sehr früh stand der Hofrat schon vor des Präsidenten Haus und zog die Glocke. Er mußte ja sein holdes Idchen fragen, wie es zum erstenmal wieder in Freilingen geschlafen habe? Nebenbei hatte er so viel zu fragen, so viel mitzuteilen, daß er nicht wußte, wo ihm der Kopf stand. Nur so viel war ihm klar, als er den hellpolierten Handgriff der Glocke in der Hand hielt, daß er um keinen Preis von dem interessanten Herrn von gestern zuerst sprechen werde. „Sie soll mir daran“, sagte er, „sie soll mir beichten.“ Er that sich auf seinen Witz nicht wenig zu gut und lächelte noch still vor sich hin, als er die breite Treppe hinanstieg.

[43] Der Präsident sei schon in die Session gefahren, gaben ihm die Bedienten auf seine Anfrage zur Antwort, aber gnädiges Fräulein nehme ihn vielleicht an, obwohl ihre Toilette noch nicht fertig sei.

Man meldete ihn; er wurde sogleich vorgelassen. In ihrem kleinen, aufs geschmackvollste dekorierten Boudoir[WS 2] saß Ida auf einer Estrade[WS 3] am Fenster, das Lockenköpfchen in die Hand gestützt. War es doch, als sei das Mädchen in dieser Nacht noch tausendmal schöner geworden! der Hofrat bekam ordentlich Ehrfurcht vor ihrer Schönheit; es lag so viel Schmachtendes in ihrem Auge, so viel ernste Sanftmut auf dem lieben Gesichtchen, das ihn begrüßte, daß er gar nicht wußte, woher dies alles das Wunderkind gestohlen hatte.

Er sagte ihr auch, wie schön er sie finde, sie aber lachte ihm geradezu ins Gesicht; sie finde, daß sie weit bleicher aussehe als sonst, der Ball könne einesteils daran schuld sein, sagte sie, dazu komme, daß sie heute nacht so dumm geträumt habe und alle Augenblicke aufgewacht sei. Sie wollte bei dieser Behauptung recht ernst aussehen, aber das kleine Schelmchen flog ihr doch beinahe unmerklich um den Mund, als wüßte es, was dem hübschen Engelskind geträumt habe.

Der Hofrat sprach vom gestrigen Ball, von Herren und Damen, von allen möglichen Schönen, aber er hätte sich lieber die Zunge abgebissen, ehe er von Martiniz zuerst angefangen hätte, obgleich er wohl sah, daß Ida darauf warte.

Er sah sich daher, als alle Tänze und Touren bekrittelt waren und das Gespräch zu stocken drohte, im Zimmer umher. „Nein“, sagte er, „wie wunderschön Ihnen Mama das Boudoir da dekorieren ließ, die bronzierte Lampe am gewölbten Plafond, die freundliche Tapete! Wie werden sich Ihre Besucher erfreuen, wenn man sich nicht mehr um den Rang auf dem Sofa streiten darf, denn jener von hellbraunem Kashmir[WS 4], der sich an drei Wänden hinzieht, den eleganten Theetisch von Zedernholz in der Mitte, kann ja eine ganze Legion von Dämchen in sich aufnehmen. Der französische Kamin mit dem deckenhohen Spiegel scheint aber nicht sehr warm geben zu wollen, doch Hoffart muß schon auch ein

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Federbettdecke.
  2. Kleiner, meist elegant eingerichteter Raum, in den sich die Dame des Hauses zurückziehen konnte. Auch eine allgemeine Bezeichnung für das Ankleidezimmer.
  3. Französisch: Podest.
  4. Vorlage: Kasimir
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 42–43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_024.png&oldid=- (Version vom 21.7.2019)