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hätte sie, ohne sich zu besinnen, das erstere gewählt. Dort fing ja der Tag eigentlich erst abends recht an, und zur zweiten Toilette konnte sie dort kein Negligee wählen; aber hier in Freilingen, wo Morgen Morgen, der Mittag Mittag, der Abend nur Abend war, hier schien ein Negligee für den Abend ganz am Platz, um so mehr, da die paar Fräulein, die sie geladen hatte, wahrscheinlich recht geputzt kommen würden. Sie wählte daher ein feines Hausnegligee, ein allerliebstes weißes Battistüberröckchen, das nach einem Muster, wie man es hierzulande noch nie gesehen hatte, gemacht war; und wie glücklich hatte sie gewählt! Das knappe, alle Formen hervorhebende Überröckchen zeigte den in jugendlicher Frische blühenden Körper, den Teint hob zwar keine Perle, kein Steinchen, aber er war so schneefrisch, so zart, so blendend weiß, daß er ja gar keines Schmuckes bedurfte. Aber das Haar wurde dafür so sorgfältig, so glänzend als möglich geordnet. Die seidenen Ringellöckchen schmiegten sich eng und zart um Schläfe und Stirne, die Pracht ihrer Haarkrone war so entzückend, daß sie sich selbst gestand, als sie beim Glanz der Kerzen in den Spiegel blickte, als sie ihre höher geröteten Wangen, ihr glänzendes Auge sah, mit Lust und heimlichem Lächeln sich gestand, heute ganz besonders gut auszusehen.

Und nun musterte sie noch einmal mit Kennerblicken den Theetisch. Der große Lüster verbreitete eine angenehme Helle über das ganze Zimmer. Die Sitze waren im Kreise gestellt; ihr Platz neben dem Sofa, neben ihr mußte der Graf sitzen; die silberne Theemaschine, den Hahn ihr zugekehrt, dampfte und sang lustige Weisen, die Tassen standen in voller Parade, die goldenen Löffelchen alle rechts gekehrt. Die Vasen mit Blumen von ihrer eigenen Arbeit nahmen sich gar nicht übel zwischen dem Backwerk und den Kristallflaschen mit Arrak und kaltem Punsch aus. Die kleineren Partien, als Zucker, geschlagener Rahm, kalte und warme Milch, Zitronen, waren in ihren silbernen Hüllen gefällig geordnet, – es fehlte nichts mehr als, weil es einmal in Freilingen Ton war, beim Thee zu arbeiten, eine geschickte Arbeit für sie; auch diese war bald gefunden, und kaum hatte sie einige Minuten in Erwartung gesessen, so fuhr ein Wagen vor.

[77] „Wenn dies Marti–“ doch nein, er konnte es nicht sein; die paar Schritte aus dem Goldenen Mond herüber machte er wohl ohne Wagen; die Flügelthüre rauschte auf – Fräulein von Sorben! „Wenn nur die anderen auch bald kämen“, dachte Ida, indem sie das Fräulein empfing, denn diese war nicht die angenehmste ihrer Freilinger Bekannten. Sie war wenigstens acht Jahre älter als Ida, spielte aber doch immer noch das naive, lustige Mädchen von sechzehn Jahren, was ihr bei ihrer stattlichen Korpulenz, die sich für eine junge Frau nicht übel geschickt hätte, schlecht paßte. Sie mußte übrigens von Präsidents mit Schonung und Achtung behandelt werden, weil sie einigermaßen mit ihr verwandt waren und ihr Oheim in der Residenz eine der wichtigsten Stellen bekleidete. Sie flog, als sie eingetreten war, Ida an den Hals, nannte sie Herzenskousinchen und gab ihr alle mögliche süße, verbrauchte Schmeichelnamen. Nachdem sie ihr Haar vor dem deckenhohen Spiegel ein wenig zurecht geordnet, die Falten des Kleides glattgestrichen hatte, fragte sie, wer heute abends mit Thee trinken werde. Kaum hatte Ida zögernd, als würde er dadurch entheiligt, den Namen Martiniz ausgesprochen, so machte sie einige mühselige Entrechats[WS 1] und küßte Ida die Hand: „Wie danke ich dir für deine Aufmerksamkeit, daß du mich zu ihm eingeladen hast; du bemerktest gestern gewiß auch, wie er mich mit seinen schwarzen Kohlenaugen immer und ewig verfolgte? Und heute früh, ich hatte mich kaum frisieren lassen, war schon mein guter Graf zu Pferd vor meinem Haus; das macht sich herrlich, so ein kleiner Liebeshandel en passant. Lache mich nur nicht aus, Herzenskousinchen; aber du weißt, junge Mädchen, wie wir, plaudern gern, und die andern nehmen es nicht so genau, wenn eine eine Eroberung gemacht hatte.“

Ida hatte zwar auch die Kohlenaugen leuchten sehen, aber nicht nach der alten, gelblichen Kousine; sie stand noch neben ihr vor dem Trümeau, sie warf einen Blick in das helle, klare Glas und überzeugte sich, daß Emil nicht nach der Kousine geschaut haben könne. Das „mein guter Graf“ und das „wir jungen Mädchen“ aus dem Munde der alten, schnurrenden Hummel kam ihr so possierlich vor, daß sie, statt in Eifersucht zu geraten, des heitersten,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Luftsprünge, z. B. beim Ballett, bei denen die Fersen in der Luft gekreuzt werden.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 76–77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_041.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)