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fest an seinem jungen Herrn zu hängen, schien so väterlich für ihn besorgt zu sein, daß man sah, er müsse ihn schon seit Kindesbeinen gekannt und gepflegt haben; recht erwünscht kam er daher gerade in diesem Augenblick, wo Berner so ganz mit Gedanken an seinen Herrn erfüllt war. Der Alte war anfangs ein wenig in Verlegenheit, was er sagen solle, denn daß er nicht aus Auftrag des Grafen komme, hatte Berner gleich weggehabt. Nachdem er sich in allen Ecken sorgfältig umgesehen hatte, ob nicht sonst wer im Zimmer sei, trat er näher:

„Mit Exküse, Herr Hofrat“, sagte er, „nehmen Sie es einem alten Dienstboten, der es gut mit seiner Herrschaft meint, nicht ungnädig, wenn er ein Wörtchen im Vertrauen sprechen möchte.“

„Wenn es keine Klagen über deinen Herrn sind, so rede immerhin frisch von der Leber weg“, sagte Berner.

„Klagen? Jesus Maria, wie käme ich bei unserem jungen Herrn zu Klagen; habe ich ihn doch auf den Händen getragen, als er’s Vaterunser noch nicht kannte, und ihm gedient bis auf den heutigen Tag, und er hat mir noch kein unschönes Wort gegeben, so wahr Gott lebt, Herr, und das sind jetzt fünfundzwanzig Jahre. Nein, aber sonst etwas hätte ich anzubringen, wenn es der Herr Hofrat nicht ungnädig nehmen wollen. Ich weiß, Sie sind meines Herrn bester Freund in hiesiger Stadt, ja ich darf sagen, im ganzen Land hier, und mein Herr hat mir dies nicht nur zehnmal versichert; ich weiß auch vom Küster, daß Sie schon seit dem ersten Tag unseres Hierseins etwas wissen, das Sie keiner Seele wieder gesagt haben, was Ihnen Gott lohnen wolle –“

„Nun ja“, unterbrach ihn der Hofrat, „und du willst mir erzählen, wie dein Herr in diesen unglücklichen Zustand kam, daß er alle Nacht von einer Art von Wahnsinn befallen wird; willst mich fragen, ob ich nicht etwa helfen könne?“

„Ja, das wollte ich“, fuhr jener fort, „aber eine Art von Wahnsinn nennen Sie das; ich versichere Sie, es ist ein Wahnsinn von so echter Art, wie man sie nur im Tollhaus finden kann; aber ich will erzählen, wie er dazu kam.“

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Emils Kummer.

„Mein Herr war nicht von jeher so, wie Sie ihn jetzt sehen; jetzt ist er bleich, still, finster, spricht wenig und lacht nie, geht langsam seine Straße, und wenn er allein ist, so weint er. Ach! Sie hätten ihn sehen sollen, als noch die gnädige Frau Gräfin und die Fräulein Schwester lebten. Keinen frischeren, kräftigeren jungen Herrn gab es in ganz Polen nicht mehr; das sprang, ritt, tanzte, focht, liebte und lebte, lachte und tollte, wie man nur in der Jugend sein kann. Keinen schmuckeren Offizier habe ich mein Tage nicht gesehen, und es traten mir immer die Thränen in die Augen, wenn er wie ein Hauptmann aus den himmlischen Heerscharen an der Spitze seiner Schwadron zur Parade zog, wenn die Trompeter an unserm Hotel aufbliesen, die Ulanen ihre Fähnlein senkten und der junge Graf zu seiner Fräulein Schwester herauflächelte wie verklärt und seinen Tigerschimmel dazu tanzen ließ.

Das ging nun so seinen guten Gang, bis der Teufel den Herrn Vetter Antonio nach Warschau führte. Das war ein Schwestersohn von der Frau Gräfin Exzellenz, ein schöner, schmucker Italiener mit braunroten Wangen, blitzenden Augen, und wenn er sprach, glaubte man, er singe. Der war eigentlich nur soweit herausgekommen aus seinem schönen Land, um die Familie seiner Frau Mutter zu besuchen, aber ehe man sich’s versah, nahm er Dienste bei uns und blieb, denn er sagte, es gefalle ihm nirgends so wie in Polen; muß auch so gewesen sein, denn wie sich nachher zeigte, er war zum Sterben verliebt in des Grafen Schwester, die junge Gräfin Kreszenz. Im Hause hatte ihn jedermann lieb, absonderlich aber der junge Graf, mein Herr, war ihm mit übermenschlicher Freundschaft zugethan und that ihm alles, was er ihm nur an den Augen absehen konnte.

Das ging nun lange Zeit gut; kein Mensch merkte, daß Herr Baron Antonio die junge Gräfin liebte; denn diese hatte viele Liebhaber, welche großes Geräusch und Aufsehen machten; der Italiener aber trieb seine Sache im stillen und kam wohl bälder ans Ziel als die andern; denn er hatte, ich stand dabei, eines Tages einen schönen Brillantring am Finger, der auch mir

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 100–101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_053.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)