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Diesem aber leuchtete das Ding ein; er schrieb mir, er wolle seinem Neffen eine rechte gute Partie suchen, und wir sollen einstweilen hieher ins –sche gehen.

Hier in Freilingen geschah nun, was ich für meine Seele nicht für möglich gehalten hätte; er blieb vor vierzehn Tagen bis nach elf Uhr auf dem Ball, daß ich ihn sogar abrufen mußte; nach der Kirche geht er wieder auf den Ball, was er in einem Jahr nie gethan, und kommt ganz still selig nach Haus. Gleich den andern Morgen läßt er mich das Logis im Goldenen Mond auf vier Wochen bestellen, ich glaubte, mir solle Hören und Sehen vergehen; er merkte auch, daß ich mich so verwundere, und gab vor, daß ihm die Kirche so wohl gefallen habe. Aber wie ich aus unserem mittleren Zimmer einmal hinausschaue, werde ich in dem Haus drüben einen Engel gewahr, der so holdselig herüberlächelte, daß mir altem Kerl ganz warm ums Herz wurde. Da ging mir denn ein Licht auf! Schon auf der Herreise hatten wir dieses Fräulein gesehen; auf dem Ball war sie auch gewesen, und tagelang schaute jetzt mein Herr hinter dem Vorhang nach dem Fenster im Haus gegenüber.

Und das ist niemand als die wunderschöne Fräulein Ida; meinen Sie, mein Herr seie früher in Gesellschaft gegangen? Zu keiner Seele, obgleich ich für jede Stadt eine Handvoll Empfehlungsbriefe hatte; aber ich will die Tasse Thee mit Löffel und Stiel aufessen, die er seit einem Jahr in Gesellschaft getrunken hat, und seit er ins Haus hinüber kommt, geht er alle Abende, die Gott gibt, zum Thee hinüber.

Seit der Zeit läßt aber auch sein Zustand mehr und mehr nach; er raset gar nicht mehr, er richtet sich nicht mehr auf; er bleibt ganz ruhig am Altar sitzen und weint aber nur desto mehr. Ich hatte eine Freude, als ich dies bemerkte, daß ich dem alten Doktor auf der Stelle mein Hab und Gut geschenkt hätte; dem Engelsfräulein aber, das dies Wunder bewirkte, möchte ich, so oft ich sie sehe, vor purer Freude zu Füßen fallen.

Wenn es nun Gottes Wille wäre, daß das Fräulein meinen Herrn liebte, ach, da wäre ihm geholfen, so gewiß ich selig werden will! Und wenn sie nicht schon einen andern hat, der kann ihr [107] ja doch gewiß recht sein. Lassen Sie ihn nur wieder einmal zu roten Wangen kommen, lassen Sie ihn nur ein wenig lächeln wie früher, lassen Sie ihn erst einmal wieder in die Uniform schlupfen statt des schwarzen Zeugs, das er anhat, – da muß er ja einem Mädel gefallen, und wenn sie einen Marbelstein in der Brust hätte statt eines Herzens. Über das Vermögen will ich gar nichts sagen; sehen Sie, da ist das herrlich eingerichtete Hotel in Warschau, da sind die Güter Ratitzka, Martinizow, da ist Flazizhof, da –“

„Laß gut sein, Alter“, bat der Hofrat, „mit einem davon könnten wir samt und sonders zufrieden sein. Was deinen Herrn betrifft, so glaube ich selbst, daß er das Fräulein gerne sieht; wie das Fräulein über ihn denkt, weiß ich nicht so genau, doch kann sie ihn nicht übel leiden. Das Ding muß sich übrigens bald geben, glaube mir. Hat dein Herr das Fräulein recht von Herzen lieb, so soll er, merke wohl auf, so soll er es ihr sagen; ich meine, ich könnte dafür stehen, daß sie nicht Nein sagt.“

Der alte Brktzwisl war außer sich vor Freude, als er dies hörte. „Nun, das muß wahr sein, wenn sich vernünftige Menschen miteinander besprechen, gibt es ein Stück; mein Herr soll dran, soll Hochzeit haben und wieder fröhlich sein, und der alte Brktzwisl will kuppeln, und all sein vierzigjähriges Dienen soll umsonst sein, wenn er nicht, ehe acht Tage ins Land kommen, den Herrn Grafen auf der rechten Fährte hat.“

„Aber meinst du auch, du verdienst dir beim alten Onkel Dank, wenn du den Herrn Neveu[WS 1] verheiratest? Das Fräulein ist eigentlich doch keine rechte Partie für einen polnischen Grafen –“

„Wird ihm wohl an ein paar hunderttausend Thaler mehr liegen als an der gesunden Vernunft seines Brudersohnes? Nein, der alte Graf ist ein räsonabler, nobler Herr, der nicht auf solche Sachen viel sieht. ‚Mache mir meinen Emil gesund‘, hat er zu mir gesagt, als wir abfuhren, ‚bringe ihn vernünftig zurück à tout prix[WS 2]‘. Da darf man ja wohl auch eine Heirat dazu rechnen! Und überdies bekümmern wir uns eigentlich nicht sehr viel um den alten Herrn; der junge Graf ist eigentlich sein eigener Herr, und der Onkel hat ihm nicht so viel zu gestatten oder zu verbieten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Französisch: Neffen.
  2. Französisch: um jeden Preis.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 106–107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_056.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)