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Dieser hatte sich von seinem Staunen kaum erholt; er hatte die Äußerung des Rittmeisters gehört, daß, wenn er gewußt hätte, daß der Graf Soldat wäre, er die Sache vielleicht nicht so weit getrieben hätte; er versuchte daher, noch einmal mit dem alten Herrn zu parlamentieren; doch die Unterhandlungen zerschlugen sich an dem harten Sinn des Grafen, man maß die Schritte ab, man schüttete frisches Pulver auf die Pfannen – fertig!

Sporeneck hatte den ersten Schuß. „Nun, wenn es denn einmal sein muß“, sagte er, drückte ab und – den Kalpak riß es dem Grafen von dem Kopf, mitten durch war die Kugel gegangen, er stand unverletzt. Ein sonderbares Feuer sprühte aus seinem Auge, als er jetzt die Pistole aufnahm; es war ihm, als stehe Antonios blutende Gestalt vor dem Rittmeister und wehre ihm ab, zweimal setzte er an, zweimal ließ er das Pistol wieder sinken. Da rief der Rittmeister mit bitterem Lachen: „Wird’s bald, Herr Kamerad?“ und in demselben Augenblick krachte es, Sporeneck schwankte und fiel.

Er hatte genug, gerade unter der Brust hatte die Kugel durchgeschlagen; der Regimentsarzt der Dragoner machte ein bedenkliches Gesicht und gab wenig Hoffnung. Man brachte ihn in die Wohnung eines der Offiziere, der vor der Stadt wohnte – in tiefem Ernst, schweigend ritt der Graf und sein Begleiter zur Stadt zurück.



Fingerzeig des Schicksals.

Die Dragoner waren seit der Entdeckung, daß der Graf Offizier sei, die Artigkeit selbst. Alle Stunden kam einer, um zu rapportieren, wie der Verwundete sich befinde; aus ihren Reden, die sie hie und da über die Geschichte fallen ließen, wurde man zwar nicht ganz klug, aber so viel merkte Martiniz und der alte Herr, daß der Rittmeister, indem er sich geheimer, von Ida erhaltener Begünstigungen rühmte, gewaltig gelogen habe. Von dem Duell war übrigens bis jetzt noch nirgends etwas bekannt geworden; den Reitknecht des Rittmeisters hielt man in dem Haus vor dem Thore fest, daß nicht etwa durch ihn etwas auskäme, die übrigen hatten sich das Ehrenwort gegeben, nichts zu verraten.

[181] Mehr denn achtmal war die Kammerzofe der Gräfin im „Mond“ gewesen und hatte heimlich nach dem Rittmeister gefragt und allemal den Bescheid erhalten, er seie auf der Jagd. Endlich kam auch, wahrscheinlich auf der Gräfin Anstiften, ein Diener von Präsidents, um den Grafen zu bitten, nachmittags hinüberzukommen, er schlug es ab, denn er war noch zu aufgeregt von dem blutigen Morgen, als daß er mit der Gräfin, die ohnehin ihn immer sehr langweilte, hätte konversieren mögen.

Endlich, als es schon Abend war, kam Schulderoff, der jetzt auch wie ein umgekehrter Handschuh war, und brachte bessere Nachricht. Man hatte die Kugel herausgenommen, die Ärzte behaupteten, es seie kein edlerer Teil verletzt. Zugleich lud er den Grafen und Herrn von Ladenstein ein, mit ihm zu gehen und den Kranken, dem es gewiß Freude machen würde, zu besuchen. Sie gingen mit.

In einem der letzten Häuser der Vorstadt lag der Rittmeister. Als die beiden Fremden mit Schulderoff die Treppe hinaufkamen, gerieten die übrigen Offiziere augenscheinlich in einige Verlegenheit. Sie flüsterten etwas mit Schulderoff, das ungefähr lautete, als sei der Kranke nicht recht bei sich und phantasiere allerhand verwirrtes Zeug, das nicht wohl für einen Fremden geeignet seie. Lieutenant Schulderoff besann sich aber nicht lange. Er erklärte, daß er es auf die Gefahr hin, seinen Freund zu beleidigen, über sich nehmen wolle, die Fremden einzuführen, weil der Kranke es vor einer Stunde selbst noch gewünscht habe.

Sie traten ein. Der Rittmeister war sehr bleich, sonst aber nicht entstellt, nur daß sein Auge unstet umherirrte. Sie hatten ausgemacht, daß zuerst Ladenstein ans Bett treten solle, um zu probieren, ob ihn der Kranke erkenne. Es geschah so. Sporeneck sah ihn lange an und faßte dann hastig seine Hand: „Ach, sind Sie es, Herr Geheimer Rat von Sorben?“ rief er, „was schreibt der Alte aus Polen? Darf der Graf die Aarstein heiraten?“

Die Anwesenden waren alle höchst betreten, als der Verwundete so aus der Schule schwatzte; Schulderoff gab dem alten Herrn zu verstehen, es möchte doch vielleicht besser sein, wenn er zu einer andern Zeit wieder käme; es scheine, der Kranke erhitze sich zu sehr.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 180–181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_093.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)