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Meine Freunde! Dasselbe, was in dieser Geschichte erzählt ist, dasselbe wollte auch der Mann im Monde, und das war ja unsere erste Frage: er wollte den Erfinder der Mimili-Manier zu Nutz und Frommen der Litteratur und des Publikums, zur Ehre der Vernunft und Sitte lächerlich machen.

Wie er diesen Zweck verfolgte, ob es ihm gelingen konnte, ist der Gegenstand der folgenden Fragen.



II.

Haben wir bisher nachgewiesen und darüber gesprochen, welchen Zweck der Mann im Monde zu verfolgen hatte, indem wir den Gegenstand, gegen welchen er gerichtet war, nach allen Teilen auseinandersetzten, so kommt es uns zu, andächtig miteinander zu betrachten, wie er diesen Zweck verfolgte.

Es gibt verschiedene Wege, wie schon in der Parabel vom angenehmen Mann angedeutet ist, verschiedene Wege, um ein Laster, eine böse Gewohnheit oder unsittliche Ansichten aus der sittlichen Gesellschaft zu verbannen. Das Erste und Natürlichste bleibt immer, einen solchen Gegenstand mit Ernst, mit Gründen anzugreifen, seine Anhänger von ihrem Irrtum zu überführen, seine Blöße offen vor das Auge zu bringen. Diesen Weg hat man auch mit dem Claurenschen Unfug zu wiederholten Malen eingeschlagen. Ihr alle, meine Zuhörer, kennet hinlänglich jene öffentlichen Gerichte der Litteratur, wo die Richter zwar, wie bei der heiligen Feme, verhüllt und ohne Namen zu Gericht sitzen, aber unverhüllt und unumwunden Recht sprechen; ich meine die Journale, die sich mit der Litteratur beschäftigen. Wie es in aller Welt bestechliche Richter gibt, so auch hier. Es gab einige, freilich an Obskurantismus[WS 1] laborierende Blätter, welche jedes Jahr eine Fanfare bliesen zu gunsten und Ehren Claurens und seines Neugeborenen. Dem Vater wie dem Kindlein wurde gebührendes Lob gespendet und das Publikum eingeladen, einige Thaler als Patengeschenk zu spendieren. Doch zur Ehre der deutschen Litteratur sei es gesagt, es waren und sind dies nur einige Winkelblätter, die nur mit Modeartikeln zu thun haben.

Bessere Blätter, bessere Männer als jene, die um Geld lobten, [245] scheuten sich nicht, so oft Claurens Muse in die Wochen kam, das Produkt nach allen Seiten zu untersuchen und der Welt zu sagen, was davon zu halten sei. Sie steigerten ihre Stimme, sie erhöhten ihren Tadel, je mehr die Lust an jenen Produkten unter euch überhandnahm; sie bewiesen mit triftigen Gründen, wie schändlich eine solche Lektüre, wie entwürdigend ein solcher Geschmack sei, wie entnervend er schon zu wirken anfange. Manch herrliches Wort wurde da über die Würde der Litteratur, über wahren Adel der Poesie und über euch gesprochen, die ihr nicht errötet, ihm zu huldigen, die ihr so verstockt seid, das Häßliche schön, das Unsaubere rein, das Kleinliche erhaben, das Lächerliche rührend zu finden. Woran lag es aber, daß jene Worte wie in den Wind gesprochen scheinen, daß, so oft sich auch Männer von wahrem Wert dagegen erklärten, die Menge immer mehr Partei dafür nahm? Man müßte glauben, der Herr habe ihre Herzen verstockt, wenn sich nicht noch ein anderer Grund fände.

Jene Institute für Litteratur, die kein Volk der Erde so allgemein, so gründlich aufzuweisen hat wie wir, jene Journale, wo auch das Kleinste zur Sprache kömmt und nach Gesetzen beurteilt wird, die sich auf Vernunft und wahren Wert der Kunst und Wissenschaft gründen, sie sind leider nur für wenige geschrieben. Wer liest sie? Der Gelehrte, der Bürger von wahrer Bildung, hin und wieder eine Frau, die sich über das Gebiet der Leihbibliothek erhoben hat. Ob aber Clauren für diese schreibt? Ob seine Manier diesen schädlich wird? Ob sie ihn nur lesen? Und wenn sie ihn lesen, wird ihnen die Stufe von Bildung, auf welcher sie stehen, nicht von selbst den Takt verleihen, um das Verwerfliche einzusehen? Und wenn unter hundert Menschen, welche lesen, sogar zehn wären, die sich aus jenen Instituten unterrichten, verhallt nicht eine solche Stimme bei neunzig andern?

So kam es, daß Clauren zu wiederholten Malen angegriffen, getadelt, gescholten, verhöhnt, bis in den Staub erniedrigt wurde; er – schüttelte den Staub ab, antwortete nicht, ging singend und wohlgemut seine Straße. Wußte er doch, daß ihm ein großes, ansehnliches Publikum geblieben, zu dessen Ohren jene Stimmen nie drangen, wußte er doch, daß, wenn ihn der ernste Vater mit

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gegenstück zur Aufklärung; Bestreben, die Menschen in geistiger Dämmerung verharren zu lassen und selbständiges Denken zu verhindern.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 244–245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_125.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)